Welt

200 Millionen Christen verfolgt und unterdrückt

In vielen Ländern leben Christen als Minderheiten. In einigen dieser Länder müssen sie praktisch täglich um ihr Leben fürchten.

Heute Redaktion
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Kirchgänger trauern um bei einem Bombenanschlag getötete Menschen am Palmsonntag in Ägypten.
Kirchgänger trauern um bei einem Bombenanschlag getötete Menschen am Palmsonntag in Ägypten.
Bild: Reuters/Mohamed abd el Ghany / Reuter

Die christliche Bevölkerungsminderheit der Kopten in Ägypten steht selten im Fokus der Weltöffentlichkeit. Und wenn, dann im Zusammenhang mit Angriffen auf ihre Mitglieder. Bei zwei Anschlägen, zu denen sich die Terrormiliz Islamischer Staat bekannte, wurden in Ägypten kürzlich über 60 Kopten getötet, unzählige weitere verletzt.

Weltweit leben nach Angaben des Pew Research Center rund 200 Millionen Christen – etwa zehn Prozent aller Christen weltweit – in Ländern, in denen sie eine religiöse Minderheit darstellen. Während das in Ländern wie Japan (2,3 Prozent), Südkorea (29,2 Prozent) oder Tschechien (34 Prozent) unproblematisch ist, werden Christen in verschiedenen Ländern teils massiv verfolgt, eingeschränkt und werden Opfer von Gewalt. In den folgenden Ländern werden die christlichen Minderheiten besonders oft und heftig attackiert:

Afghanistan

Nach offizieller Rechtssprechung gibt es in Afghanistan keine christlichen Bürger. Jene Menschen, die sich als Christen sehen oder zum Christentum konvertieren, müssen das im Geheimen tun. Die genaue Zahl, der in Afghanistan lebenden Christen ist darum nicht bekannt, die Schätzungen gehen von 6.000 bis rund 30.000.

In Ägypten leben laut Schätzungen zwischen fünf und acht Millionen koptische Christen sowie weitere kleine christliche Gruppen (griechisch-orthodox, protestantisch etc.), sie machen sechs bis zehn Prozent der Bevölkerung aus.

Bis in die 1970er-Jahre lebten muslimische Mehr- und koptische Minderheit in Ägypten realtiv friedlich nebeneinander. Seither, vor allem aber seit den 1990er Jahren haben sich Übergriffe und Gewaltakte gegen die Christen massiv vermehrt. Nach dem Arabischen Frühling 2011 nahmen die Zwischenfälle sprunghaft zu. Dutzende Menschen wurden getötet und zahlreiche Kirchen ganz oder teilweise zerstört.

Das einzige offizielle christliche Gotteshaus ist eine katholische Kapelle in der italienischen Botschaft. Dass die wenigen Christen im Land gut daran tun, ihre Religion geheim zu halten, zeigen die gelegentlichen Anschläge auf Ausländer, die der Missionierung verdächtigt werden, wie zum Beispiel kirchliche Hilfsorganisationen.

China

Die genaue Anzahl Christen in China ist unbekannt, Schätzungen gehen weit auseinander und unterscheiden sich um Dutzende Millionen. Das Pew Research Center geht von etwa 67 Millionen aus. Zwar werden die Christen Chinas nicht offen verfolgt, sie sind aber extremer Überwachung ausgesetzt.

Viele organisieren sich darum in Untergrundkirchen, die allerdings vom Staat verfolgt werden. Menschenrechtsorganisationen gehen davon aus, dass Tausende Christen wegen ihres Glaubens in Haft sind.

Indien

Die brutalsten Angriffe auf die christliche Minderheit in Indien ereignete sich im Jahr 2008, als im ostindischen Staat Orissa mindestens 90 Menschen getötet und über 50.000 vertrieben sowie rund 170 Kirchen durch hinduistische Extremisten zerstört wurden.

Dabei handelt es sich nur um einen von zahlreichen Zwischenfällen, bei denen Kirchen angezündet und Christen getötet wurden. Die Gewalt gegen diese Minderheit geht mehrheitlich von rechtsextremen, nationalistischen Hindu-Gruppen aus.

Indonesien

Hier leben mehr als 20 Millionen Christen, für ein asiatisches Land sehr viel. Bei 250 Millionen Einwohnern, davon fast 90 Prozent Muslime, sind sie trotzdem nur eine kleine Minderheit. Eigentlich ist Indonesien für eine vergleichsweise tolerante Lesart des Islam bekannt.

In letzter Zeit machen aber auch dort radikale Prediger zunehmend Front gegen Christen. Gegen den christlichen Gouverneur der Hauptstadt Jakarta gingen Hunderttausende auf die Straßen. Ihm wird vorgeworfen, im Wahlkampf den Koran beleidigt zu haben. Deshalb steht er nun auch vor Gericht.

Irak

Christen sind ein fester Bestandteil der irakischen Gesellschaft und eine der ältesten christlichen Gemeinschaften der Welt. Allerdings erleben die Gemeinden seit langem einen Exodus, der die Minderheit immer kleiner werden lässt. Vor allem radikale sunnitische Gruppen terrorisieren die Christen. So hat die Terrormiliz IS Christen – wie auch Angehörige anderer Religionen – getötet, verschleppt, vertrieben und ihre Einrichtungen zerstört.

Auch hier gehen die Schätzungen der effektiven Anzahl auseinander. Laut CIA World Fact Book soll der Anteil 2015 nur noch 0,8 Prozent der Bevölkerung betragen haben, Tendenz weiter sinkend.

Iran

Die mehrheitlich armenisch-apostolischen Christen im Iran können ihren Glauben relativ unbehelligt praktizieren. Das islamische System geht jedoch vehement gegen jegliche christliche Missionierung vor.

Iranischen Muslimen, die durch solche Missionierungen zum Christentum konvertieren, drohen lange Haftstrafen, manchen von ihnen sogar die Todesstrafe.

Nigeria

In Nigeria trifft die Bezeichnung Minderheit praktisch nicht mehr zu. Allerdings sind die Christen vor allem im mehrheitlich muslimischen Norden des Landes extremer Gewalt ausgesetzt, primär durch die Terrorgruppe Boko Haram.

Einige der brutalsten Angriffe ereigneten sich um Weihnachten 2010 als über 200 Menschen in einer Serie von Attacken brutal ermordet wurden. Die Gewalt hat zusätzlich zugenommen, seit in mehreren Regionen im Norden die islamische Scharia als Gesetz angewendet wird.

Nordkorea

Nach Angaben des Koreanischen Christenbunds KCF sind etwa 14.000 Menschen der schätzungsweise 25 Millionen Einwohner Nordkoreas Christen. Verlässliche Angaben über die Größe der katholischen und evangelischen Gemeinden gibt es jedoch nicht und Schätzungen gehen weit auseinander.

Beobachter halten es für möglich, dass es neben dem KCF auch eine unabhängige kleine Gruppe von Christen gibt. Christliche Gruppen wie das Hilfswerk Open Doors werfen der Regierung vor, Zehntausende Christen in Arbeitslagern gefangen zu halten und dort zu foltern und töten.

Pakistan

Als eines der gefährlichsten Verbrechen in Pakistan gilt Blasphemie gegen den Islam. Aufsehen erregten mehrere bekannte Fälle. 2010 wurde die Christin Aasia Bibi deswegen zum Tode verurteilt. Das Urteil wurde bereits mehrfach angefochten und die Strafe schließlich ausgesetzt. Das letzte Wort ist aber noch nicht gesprochen.

2011 wurde dann der Minister für Minderheiten, der Katholik Shahbaz Bhatti, ermordet. Die Anti-Blasphemie-Gesetze entstanden in den 80er-Jahren und Kritik am Propheten Mohammed wurde 1992 ein Kapitalverbrechen.

Somalia

Mehr als 99 Prozent der Bevölkerung sind sunnitische Muslime. Die Verfassung sieht persönliche Religionsfreiheit vor, verbietet aber die Verbreitung jeder Religion außer dem Islam. Seit etwa zehn Jahren versucht die Terrormiliz Al-Shabaab einen sogenannten Gottesstaat zu errichten.

Für die sunnitischen Extremisten gelten schon moderate Muslime als Ungläubige. Die Miliz hat offiziell das Ziel formuliert, alle Christen zu vernichten, und nicht selten werden mutmaßliche Christen auf der Stelle erschossen. Zahlen der praktizierenden Christen sind vage, weil Konvertiten offiziell weiterhin als Muslime gelten.

Syrien

Das Christentum ist in Syrien tief verwurzelt. Zahlreiche Klöster und andere kirchliche Einrichtungen zeugen von einer jahrtausendealten Geschichte. Rund zehn Prozent der syrischen Bevölkerung gehören christlichen Konfessionen an.

Christen konnten in Syrien lange freier leben als in vielen anderen arabischen Ländern. Wie die gesamte Bevölkerung leiden sie sehr unter dem Bürgerkrieg. Aus Angst vor radikalen muslimischen Extremisten unterstützen viele Christen Staatschef Baschar al-Assad.

Sudan

Der Fall von Meriam Ibrahim machte weltweit Schlagzeilen. Die Christin wurde verhaftet, als sie im achten Monat schwanger war und wurde zum Tode verurteilt für außerehelichen Geschlechtsverkehr und Abfallen vom Glauben. Unter lauten internationalen Protesten wurde sie nach der Geburt ihrer Tochter zunächst freigelassen, dann zusammen mit ihrer Familie erneut festgenommen, als sie das Land verlassen wollten und schließlich nach intensiven diplomatischen Verhandlungen erneut freigelassen.

Heute lebt die Familie in den USA. Der Fall steht exemplarisch für die Rechtslage im Sudan, wo das Konvertieren für Muslime unter Todesstrafe steht. Berichten zufolge hat die Regierung selbst Angriffe auf Christen angeordnet und die Ermordung von Christen zugelassen. (ofi/20 Minuten)