Wirtschaft

20 Cent pro Stunde: Strabag-Firma beutete Häftlinge aus

Ein serbisches Straßenbau-Unternehmen, das zur Strabag gehört, beschäftigte 28 Gefängnis-Insassen. Pro Stunde bekamen sie weniger als 20 Cent.

Leo Stempfl
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Strabag (Straßenbau Aktiengesellschaft) Symbolbild
Strabag (Straßenbau Aktiengesellschaft) Symbolbild
Ernst Weingartner / picturedesk.com

Das prekäre Geschäftsmodell der Strabag-Firma wurde vor Kurzem vom "Balkan Investigative Reporting Network", kurz BIRN, aufgedeckt. Nur durch einen Zufall kam es überhaupt ans Tageslicht: Ein Team aus Bauarbeitern war im Oktober 2016 auf dem Weg nach Knjazevac, wo eine Brücke gebaut werden sollte. Der Fahrer des Vans krachte in eine Betonröhre. Neben den Angestellten der Firma waren allerdings auch besagte Häftlinge im Fahrzeug – und wurden verletzt. Ein Vorfall, der dem Arbeitssicherheits-Chef der Strabag, Nebojsa Budjelan, natürlich gemeldet werden musste.

Dieser hatte fast einen Herzinfarkt, als er davon hörte, so Budjelan gegenüber BIRN. Zwar seien bereits in der Vergangenheit Häftlinge beschäftigt worden, allerdings lediglich für "einfache" Aufgaben wie Müllsammeln oder Schilder-Putzen, und nicht gleichgestellt mit den regulären, ausgebildeten Bauarbeitern der Strabag. Jenes Projekt sei auch das erste gewesen, bei dem das so der Fall war.

"Moderne Sklaverei"

Einziger Grund sei der Pauschalpreis von circa zehn Euro pro Tag, den die Arbeiter die Strabag kosten. Egal, wie viele Stunden sie wirklich arbeiten. Da es sich um Gefängnisinsassen handelt, musste die "PZP Zajecar" auch keine Steuern zahlen. Die damaligen Gesetze sahen vor, dass die Insassen lediglich 20 Prozent des Lohns erhalten, also etwas weniger als 20 Cent pro Stunde. Das Gefängnis bekam hingegen die restlichen 80 Prozent, betrieb die Praxis allerdings "nicht aus Gründen des Profits", wie es heißt.

Der eigentliche Stundenlohn eines Bauarbeiters lag 2017 bei etwas weniger als drei Euro pro Stunde. Die Strabag sparte sich so also 64 Prozent der Kosten. Laut Vertrag zwischen Gefängnis und der Strabag-Firma PZP Zajecar wurden die Aufgabengebiete der Häftlinge erst wenige Tage vor dem Unfall ausgeweitet. Menschenrechts-Anwalt Nikola Kovacevic erklärte BIRN, dass "ohne Zweifel 120 Dinar pro Stunde unangemessen und ungerecht sind, sowie womöglich auf eine Art Missbrauch hinweisen könnten".

Umstrittene Geschäftsstruktur der Strabag

Auch wenn die Strabag bereits seit den 1960ern in Serbien aktiv ist, begann der "Boom" erst zu Beginn der 2000er. Das österreichische Unternehmen übernahm mehrere serbische Firmen, so auch die vormals staatliche PZP Zajecar und wurde so zu einem der größten Player der Industrie.

Die größten Anteile an der Strabag halten Ex-Politiker Hans Peter Haselsteiner, der russische Oligarch Oleg Deripaska, die UNIQA Group sowie die Raiffeisen-Holding. Aufsichtsratsvorsitzender ist Ex-Kanzler Alfred Gusenbauer, der seit 2013 zudem auf Einladung von Präsident Vucic als Berater für die serbische Regierung tätig ist.