Opfer-Einvernahme
12-Jährige missbraucht – jetzt alle Beschuldigten frei
Am Freitag fand die kontradiktorische Einvernahme im Missbrauchsfall von Wien-Favoriten statt. Die Beschuldigten sorgten vor dem Saal für einen Eklat.
Auch beim zweiten Einvernahme-Termin im Missbrauchsfall von Favoriten kam es am Freitag am Wiener Landl zum Eklat –wir berichteten. Die Emotionen kochten hoch, Beschuldigte pöbelten vor dem Gerichtssaal. In einem Nebenraum musste das Opfer ab 12 Uhr unter Ausschluss der Öffentlichkeit aussagen.
Anwalt Sascha Flatz stand der 13-jährigen Anna-Maria (Name geändert) bei. Der Jurist war vor Beginn des zweiten Termins besorgt: "Sie hatte Angst, ist sehr aufgelöst. Es ist für sie sehr belastend, über die schrecklichen Vorfälle zu reden", sagte er.
Mit etwa halbstündiger Verzögerung nahm die in schwarz gekleidete Schülerin gemeinsam mit einer Psychologin Platz. Dann stellte sie sich den Fragen der Richterin und Beschuldigten-Anwälte. Ihre Antworten wurden per Video in den Saal übertragen, in dem nur Eltern der Beschuldigten, die jugendlichen Beschuldigten selbst und deren Anwälte anwesend sein durften.
Befragung musste unterbrochen werden
Auch diesmal musste die Befragung offenbar mehrmals unterbrochen werden. Der 13-Jährigen schossen immer wieder Tränen in die Augen. Zu groß war die Belastung, über das Erlebte sprechen zu müssen. Beim ersten Termin vor rund einem Monat erlitt das Mädchen einen Zusammenbruch, die Einvernahme wurde abgebrochen.
Nicht verwunderlich: Das junge Mädchen soll seit Anfang des Jahres 2023 monatelang Schreckliches durchgemacht haben. Insgesamt 17 Beschuldigte zwischen 13 und 18 Jahren sollen die damals noch 12-jährige Schülerin einzeln und in Gruppen immer wieder missbraucht und vergewaltigt haben – in Wohnungen, Stiegenhäusern und einmal sogar in einem Hotelzimmer in der Nähe des Hauptbahnhofs. Wir berichteten hier, hier und hier.
Erst im vergangenen Oktober vertraute sich das Opfer schließlich seiner Mutter an, die sofort Anzeige erstatte. Infolgedessen kam es am 29. Februar in Wien-Favoriten zu einer gleichzeitigen Razzia in den Kinderzimmern der jugendlichen Peiniger zwischen 13 und 17 Jahren und anschließenden Verhören. Danach kamen die Jugendlichen allesamt wieder auf freien Fuß, nur ein 16-Jähriger befand sich seither in U-Haft. Er hatte Widerstand gegen die Festnahme geleistet.
Weil die Verdächtigen Missbrauchshandlungen per Video aufgenommen haben sollen, wurden mehrere Handys beschlagnahmt. An viele Details konnte sich das Opfer selbst nicht mehr erinnern. "Ich weiß das nicht mehr genau", soll sie der Richterin immer wieder gesagt haben – auch, als es um konkrete Gewaltvorwürfe ging. Danach die Wende: Der 16-jährige Beschuldigte im Missbrauchsfall wurde im Anschluss an die Einvernahme des Opfers (13) enthaftet.
Bist du von Gewalt betroffen? Hier findest du Hilfe
Frauenhelpline (rund um die Uhr, kostenlos): 0800 222 555
Männernotruf (rund um die Uhr, kostenlos): 0800 246 247
Rat auf Draht: 147
Autonome Frauenhäuser: 01/ 544 08 20
Polizei-Notruf: 133
Nach dem Einvernahme-Termin am Freitag muss nun die Staatsanwaltschaft entscheiden, gegen welche der insgesamt 17 Beschuldigten nun Anklage erhoben wird und welches Delikt (von Missbrauch einer Unmündigen bis hin zu Vergewaltigung) diese umfassen soll. Es gilt die Unschuldsvermutung.