Ukraine

Darum könnte Putin vom Öl-Embargo sogar profitieren

Die EU will Russland wirtschaftlich ruinieren. Ist das geplante Öl-Embargo dafür geeignet? Und was bedeutet es für Österreich? Ein Überblick

Nikolaus Pichler
Teilen
Russlands Staatschef Wladimir Putin will auch das Öl-Embargo aussitzen. 
Russlands Staatschef Wladimir Putin will auch das Öl-Embargo aussitzen. 
Alexander Zemlianichenko / AP / picturedesk.com

Machen alle EU-Länder beim Embargo mit?

Nein, es sind Ausnahmen für Ungarn und die Slowakei geplant. Da sie keinen Zugang zum Meer haben, wäre es für sie sonst schwierig, neue Lieferanten zu finden.

Was bedeutet das Öl-Embargo für Österreich?

Das Wirtschaftsforschungsinstitut (Wifo) hat für die Bundesregierung eine Einschätzung abgegeben, welche Folgen ein Ölembargo gegen Russland für Österreich hätte: Dieses würde kurzfristig etwa 0,3 Prozentpunkte an Wachstum kosten und zu einem Anstieg der Inflation um 0,5 bis 0,75 Prozentpunkte führen, berichtet der "Standard". Zu einer ähnlichen Einschätzung komme die Industriellenvereinigung mit einem Rückgang der Wirtschaftsleistung von 0,25 Prozentpunkten.

Womit die Auswirkungen eines Ölembargos weit geringer wären als jene eines Gas-Importstopps. Der Ökonom Harald Oberhofer von der Wirtschaftsuni Wien begründet dies damit, dass es für Öl weit mehr Lieferländer gibt. Wie sehr ein Ölembargo die Preise dann wirklich ansteigen lässt, ist laut Wifo-Chef Gabriel Felbermayr mit Unsicherheiten behaftet. Einige erkennbare Parameter gebe es aber. So ist der Preis für Rohöl (Brent) seit Jahresbeginn um 40 Prozent angestiegen, obwohl nicht weniger Öl verfügbar war. Am Markt dürfte ein Embargo also schon teilweise eingepreist sein.

Etwas anders sei das bei raffinierten Produkten wie Benzin, Diesel und Heizöl, wo der Preisanstieg höher ausfallen könnte. Bei Diesel könnte der Einkaufspreis für Unternehmen kurzfristig um 15 Prozent höher liegen.

Und wenn Europa das Öl ausgeht?

"Das wird nicht passieren", sagt der Schweizer Rohstoff-Experte Norbert Rücker der Privatbank "Julius Bär" gegenüber dem Schweizer Portal "20-Minuten", das Heute.at beteiligt ist. Der Ölmarkt sei flexibel und die europäischen Firmen bauten seit Wochen ihre Lieferketten um. Das russische Öl gelange nun anstatt nach Europa nach Asien oder anderswo hin. Der Ausfall sei weniger stark als befürchtet und betreffe nur rund ein bis eineinhalb Prozent des Marktes.

Was bedeutet das Öl-Embargo für Russland?

Das ist umstritten. Eigentlich hätte die EU bessere Alternativen, um Russland zu schwächen, sagt Julius-Bär-Experte Rücker – etwa Strafzölle. Die grosse Frage sei nun, ob der Westen Druck auf China und Indien ausübe – «dann hätte das Embargo einen viel grösseren Effekt». Russland würde dann kaum noch Abnehmer finden. In diesem Fall erwartet Rücker allerdings auch einen grösseren Ausfall und einen weiteren Anstieg des Ölpreises.

Profitiert Russland gar vom Embargo?

Das Embargo könnte Öl weiter verteuern, wovon auch Russland profitieren würde, sagt Rücker. Laut dem Internationalen Währungsfonds deckt das Land seine Produktionskosten ab einem Preis von zehn bis 15 Dollar pro Barrel. Aktuell liegt dieser bei über 100 Euro. Ganz so einfach sei es aber nicht, sagt Rücker: Russland müsse sein Öl nun unter Marktpreis verkaufen, um noch Käufer zu finden

Auch Russland ist vom Öl abhängig
Die Erlöse aus Öl und Gas machen rund 36 Prozent des russischen Staatshaushaltes aus. 2021 exportierte das Land gemäss der staatlichen Statistikbehörde 230 Millionen Tonnen Rohöl und 144 Millionen Tonnen Erdölprodukte, rund die Hälfte davon nach Europa. Russland nahm so etwa 180 Milliarden US-Dollar ein.

Schwächt das Embargo Russlands Position im Krieg?

Nein, sagt Rücker. Es sei illusorisch zu glauben, die Finanzierung des Krieges mit einem Öl-Embargo kurzfristig stoppen zu können, ohne dabei selbst Schaden zu nehmen. Russland finde auch Abnehmer ausserhalb der EU, etwa China und Indien, denn der Grossteil des russischen Öls werde übers Meer transportiert. Um die Finanzierung des Krieges langfristig zurückzubinden, brauche es mehr Eigenproduktion und weniger Konsum in Europa. Auch der Fall Iran zeige, dass ein Embargo selten helfe, um politische Ziele zu erreichen.

1/6
Gehe zur Galerie
    Der russische Sender Rossija 24 zeigte eine Karte mit möglichen russischen Atomschlägen auf drei europäische Hauptstädte. Die Raketen könnten demnach Berlin in 106 Sekunden, Paris in 200 Sekunden und London in 202 Sekunden erreichen.
    Der russische Sender Rossija 24 zeigte eine Karte mit möglichen russischen Atomschlägen auf drei europäische Hauptstädte. Die Raketen könnten demnach Berlin in 106 Sekunden, Paris in 200 Sekunden und London in 202 Sekunden erreichen.
    Screenshot/Rossija 24

    Wie könnte Russland auf das Embargo reagieren?

    Russland könnte Europa den Gashahn zudrehen. "Aber wenn Putin das macht, hat Russland ein gewaltiges Problem", sagt Rücker. Denn es sei schwierig, derart grosse Fördermengen einfach zu unterbrechen. Die Infrastruktur, die Förderstellen und die russischen Lager würden massiv darunter leiden.

    Ukraine-Krieg Tag 72 – das "Heute"-News-Video

    1/51
    Gehe zur Galerie
      <strong>22.11.2024: So will Neos-Chefin die Mindestsicherung neu aufsetzen.</strong> Beate Meinl-Reisinger spricht erstmals in "Heute" über Koalitionsverhandlungen, nötige Reformen – <a data-li-document-ref="120073911" href="https://www.heute.at/s/so-will-neos-chefin-die-mindestsicherung-neu-aufsetzen-120073911">und warum sie Entlastungen für notwendig erachtet.</a>
      22.11.2024: So will Neos-Chefin die Mindestsicherung neu aufsetzen. Beate Meinl-Reisinger spricht erstmals in "Heute" über Koalitionsverhandlungen, nötige Reformen – und warum sie Entlastungen für notwendig erachtet.
      Helmut Graf