Klimaschutz
"Wir müssen für den Klimaschutz keine Veganer züchten"
Umweltmediziner Hans-Peter Hutter erklärt im "Heute"-Gespräch den Zusammenhang von Corona und Klimakrise, verrät, warum er gerne bunte Shirts trägt.
Der aktuelle IPCC-Bericht lässt Klimaschützer verzweifeln. Seit Jahrzehnten warnt die Wissenschaft vor den Folgen der Klimakrise, dennoch dringt die Dramatik nicht zu den Menschen durch. Gefühlt herrscht "business as usual" – wie erleben Sie das?
"Das Verzweifeln kann ich persönlich durchaus nachvollziehen, es bringt aber nichts. Besser ist, sich zu engagieren und aktiv zu werden", sagt Umweltmediziner und Heute For Future Award-Jurymitglied Hans-Peter Hutter im "Heute"-Interview. "Der IPCC-Bericht war noch einmal ein weiterer deutlicher Weckruf, den wir unbedingt ernst nehmen sollten. Wir brauchen Mut zur Veränderung und Engagement."
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Warum machen wir's dann nicht einfach?
"Gesellschaften sind träge. Wenn wir nicht unmittelbar, persönlich betroffen sind, dann wollen wir praktisch keine Änderungen, noch dazu eine, wo wir aktiv, etwas dafür tun müssen, da machen wir lieber weiter wie bisher. Ich sehe das auch im ärztlichen Alltag so. Menschen gehen dann zum Arzt, wenn sie Schmerzen haben, sie brauchen Hilfe und sind dann auch eher bereit, ihre Lebensgewohnheiten zu ändern. Vorsorglich handeln ist nicht wirklich eine Stärke von uns."
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Sind wir denn überhaupt noch zu retten?
"Ja, denn wir wissen, wie es gehen kann. Konzepte sind haufenweise da. Aber es wird sehr, sehr schwer, denn die Zeit drängt."
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Sehen Sie Parallelen zur Coronakrise?
"Ganz eindeutig. Beide Krisen - Klimakrise und Pandemie - wurzeln in unserem konsumorientierten System, in unserem Anspruch, Ressourcen ungebremst auszubeuten. Die hemmungslose Zerstörung intakter Ökosysteme erhöht auch die Gefahr von "neuen" Erregern mit Pandemie-Potential, die auf den Menschen überspringen. Nicht zuletzt ist der Wildtierhandel nicht nur Gewalt gegen Tiere, sondern auch eine gegen uns selbst. Wir benötigen einen Systemwandel, der Glaube an grenzenloses Wachstum führt uns in eine Sackgasse. Das sollten wir doch endlich begreifen."
Tragen Sie deswegen immer bunte Hemden? Ist die Welt mit flippigem Gewand leichter zu ertragen?
Lacht. "Neben dem Skateboarden ist das Wellenreiten meine große Leidenschaft. Über die Jahre haben sich so viele bunte Hawaii-Hemden angesammelt, einige davon habe ich getauscht, andere selbst gekauft. Mit Ausbruch der Pandemie war für mich klar, dass die Epidemie nicht so rasch vorüber sein wird und meine Surfleidenschaft nun pausieren muss. Naja, aber wenigsten meine Hemden kann ich doch öfter anziehen, dachte ich mir, zur Aufmunterung im Alltag."
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Was kann die/der Einzelne tun?
"Erstens das eigene Mobilitätsverhalten überdenken. Dort, wo möglich, ohne Auto auskommen."
Machen Sie das?
"Ja. Ich habe kein Auto. Ich bin in Wien mit dem Rad und den Öffis unterwegs. Aber das ist ja auch hier sehr einfach, nicht zu vergleichen mit den Verhältnissen 'am Land'. An die französische Küste zum Surfen ging's mit dem Nachtzug nach Paris und dann weiter mit dem TGV. Es geht auch ohne Flieger. Alles eine Frage, wie man es einrichtet."
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Was kann noch getan werden?
"Der zweite wichtige Hebel ist die Ernährung. Wir müssen dazu nicht Veganer züchten. Aber unseren hohen Fleischkonsum in Österreich können wir sehr wohl reduzieren. Das bringt etwas fürs Klima, aber auch für die eigene Gesundheit. Und wenn Fleisch – dann bitte doch vernünftig einkaufen: Regional, saisonal und biologisch, lautet die Devise."
Und die Politik?
"Politiker richten sich häufig weniger nach der Wissenschaft, sondern orientieren sich mehr an den Wünschen mächtiger Lobbys und an kurzfristigen Wirtschaftszielen. Wir benötigen einen gesellschaftlichen Werte- und Systemwandel, müssen die Politik zum Handeln bewegen. Ohne Rahmenbedingungen ist vielen, die auch gerne etwas machen würden, die Hände gebunden – Stichwort öffentlicher Verkehr in ländlichen Regionen."
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Warum machen Sie beim Heute For Future-Award mit?
"Es gibt viele kleine und große Initiativen, die haben oft Vorbildwirkung und können auch andere anspornen. In Summe kann sehr viel bewegt werden."
Vielen lieben Dank für das Gespräch!