Ukraine
Ex-Geheimdienst-Boss: "Das wird Putins politischer Tod"
Wie sieht die Zukunft für Wladimir Putin aus? Ex-Geheimdienst-Chef Christopher Steele sieht das politische Ende des Kreml-Despoten kommen.
Christopher Steele, Leiter des Russland-Büros des britischen Secret Intelligence Service (MI6) zwischen 2006 und 2009, warnt den Westen seit Jahren vor Wladimir Putin. Der Kremlchef fühle sich nach dem westlichen Debakel in Afghanistan übermütig – es gebe noch keine Anzeichen dafür, dass er an einem Frieden interessiert sei, man könne Putin auch nicht vertrauen, dass er sein Wort hält. Doch der Krieg in der Ukraine werde den politischen Tod des russischen Staatschefs bedeuten. "Er wird die Macht abgeben müssen", prophezeit Steele.
Im Interview mit der "Süddeutschen Zeitung" erklärt der Brite, wieso sich Putin in diesem Konflikt so verkalkuliert haben könnte: Einerseits habe er nicht damit gerechnet, dass der Westen so zusammenstehen und so harte Sanktionen gegen sein Land beschließen würde. Andererseits meinte er, dass weite Teile der ukrainischen Bevölkerung die Russen als Befreier begrüßen würden.
"Er lebt in seiner Bubble"
Offenbar habe der Kremlchef die Lage aufgrund schlechter Geheimdienst-Informationen falsch eingeschätzt, sagt Christopher Steele. Dass Putin die Wahrheit nicht hören will, überrascht den Briten nicht. Zwar gebe es Hinweise, dass Putin von Beratern und auch aus dem russischen diplomatischen Apparat vor einer solch großen Intervention gewarnt worden sei. "Doch er lebt schon seit längerem in seiner Bubble. Die Corona-Pandemie hat das noch verstärkt", so Steele.
Steele betrachtet es als einen Fehler des Westens, in den vergangenen Jahren wirtschaftlich mit Putin zusammengearbeitet zu haben. "In Wahrheit haben wir uns von ihm bei Öl und Gas abhängig gemacht und sogar noch sein Militär finanziert. Das alles hat Putin nicht als Grundlage für eine friedliche Koexistenz verstanden – sondern als Schwäche des Westens ausgelegt."
"Dieser Krieg ist sehr, sehr teuer"
Die wirtschaftlichen Sanktionen findet Steele darum gut. Russland könne diese nicht lange überstehen, "dafür ist die Wirtschaft viel zu schwach", sagt er. "Und dieser Krieg ist sehr, sehr teuer." Die herrschende Klasse in Russland außerdem daran zu hindern, "zu reisen, Luxusgüter zu kaufen, ihre Kinder auf Schweizer Internate zu schicken", könnte bald Wirkung zeigen.
Es könne darum sein, dass Putin in Zukunft von einer Person "aus seiner nächsten Umgebung" und mit einem leicht anderen Profil, "der einen Deal mit dem Westen machen kann", ersetzt werde. Der 69-Jährige würde – wie es in Russland Tradition ist – eine Art Immunität verlangen, und es sich dann "in einem seiner Paläste bequem machen", mutmaßt Steele weiter.
Militär "nicht zum kollektiven Selbstmord bereit"
Dass er aus Verzweiflung zu Atomwaffen greift, glaubt der Ex-Geheimdienstler nicht. "Er hat Kinder, er ist reich." Zwar habe Putin "jedes Interesse, diese Doomsday-Geschichte hochzuhalten, um aus der Falle herauszukommen", doch das russische Militär werde wohl kaum bereit sein, einen Nuklearschlag auszuführen. "Diese Leute sind nicht zum kollektiven Selbstmord bereit", sagt Steele.
Kategorisch spricht sich der ehemalige MI6-Mitarbeiter gegen die Einrichtung einer Flugverbotszone über der Ukraine aus. "Ich hielte es nicht für gut, mit militärischen Mitteln in diesen Konflikt einzugreifen. Das würde in eine Katastrophe münden und möglicherweise zu einem dritten Weltkrieg führen."