Ukraine

Putins Einmarsch könnte Andere auf Geschmack bringen

Der russische Einmarsch könnte autoritäre Länder zu Kriegen ermuntern. Andere sehen keine Gefahr: Nachahmer würden sich ins Abseits befördern.

Heute Redaktion
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Flüchtende Ukrainerinnen und Ukrainer beim Überqueren einer zerstörten Brücke in der nordwestlich von Kiew gelegenen Stadt Irpin.
Flüchtende Ukrainerinnen und Ukrainer beim Überqueren einer zerstörten Brücke in der nordwestlich von Kiew gelegenen Stadt Irpin.
DIMITAR DILKOFF / AFP / picturedesk.com

Von einem Tag auf den anderen fielen russische Truppen in die Ukraine ein. Der beispiellose Einmarsch von Kreml-Chef Wladimir Putin droht auf andere Staaten überzuschwappen. Das Swiss Institute for Global Affairs (SIGA) warnt vor einem Spillover-Effekt. "Es ist zu befürchten, dass schon kurzfristig der Krieg in der Ukraine als großes geostrategisches Probing angesehen werden muss, bei dem letztlich autoritäre Staaten gestärkt hervorgehen können", schrieb das SIGA am Sonntag in einer Medienmitteilung.

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Die Sicherheitsarchitekturen im Mittelmeerraum, im Mittleren Osten und Afrika werden laut dem SIGA auf die Probe gestellt. Wer für Russland sei und wer nicht, sei uneindeutig, was fundamentale Verschiebungen der machtpolitischen Furchen ermögliche. "Es können neue Formen von Stellvertreterkriegen in Syrien, im Jemen und in Regionen Afrikas folgen."

Kürzlich stand auch der Westbalkan als potenzieller Kriegsherd im Zentrum. Zwei ehemalige Bosnien-Beauftragten appellierten am Mittwoch an die EU-Kommission, Bosnien-Herzegowina "schnell und unbürokratisch" in die EU aufzunehmen. Sie glauben, dass der Führer der bosnischen Serben, Milorad Dodik, und Serbiens Präsident Aleksandar Vucic, Russlands Aggression gegen die Ukraine nutzen und einen neuen Krieg in Bosnien und im Kosovo provozieren könnte.

"War undenkbar, souveränen Staat anzugreifen"

Militärexperten teilen die Befürchtungen. Dominik Knill, Präsident der Schweizerischen Offiziersgesellschaft (SOG), bezeichnet die aktuelle Lage in Europa als "heikel". "Zeigt der Westen Schwäche und kann Russland seine Ziele weiterhin durchsetzen, könnte es in Europa zu einem Nachahmer-Effekt kommen." Andere Länder, die miteinander im Konflikt stünden, könnten die Invasion in der Ukraine zum Anlass nehmen, um "Grenzen zu berichtigen".

"Bis zum Einmarsch der russischen Truppen in die Ukraine war es undenkbar, einen souveränen Staat anzugreifen und damit in eklatanter Weise Völkerrecht zu brechen", sagt Knill. Dies könnte etwa Serbien darin bestärken, den Kosovo und die bosnisch-serbische Republik zu integrieren.

"Löst neue Dynamiken aus"

Sollte Russland geschwächt aus dem Ukraine Krieg hervorgehen, schließe er nicht aus, dass die Separatistenregion Transnistrien nach dem Vorbild Russlands von der Republik Moldau einverleibt würde. Weiter hält er einen Nachahmer-Effekt in Georgien für möglich, indem es sich die Gebiete Abchasien und Südossetien zurückholen könnte. "Ziemlich riskant, da die Georgier damit rechnen müssten, dass sich Russland im Gegenzug mit der Besetzung von ganz Georgien rächen würde."

Weniger düster fallen die Einschätzungen von Diplomaten aus. Er erwarte keinen Nachahmer-Effekt, sagt Diplomat Tim Guldimann. "Wenn sich andere Staaten ein Vorbild am russischen Einmarsch nehmen, werden sie in die gleiche Ecke gestellt wie der Kreml."

"Serbien könnte EU-Perspektiven begraben"

Unter anderem in Kroatien und im Kosovo war Guldimann Leiter der Missionen der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE). Er glaubt nicht, dass der Ukraine-Krieg etwa Serbien motiviere könnte, territorialen Ansprüche in die Tat umzusetzen oder die Republika Srbska zur Unabhängigkeit zu bewegen. "Ansonsten könnte Serbien seine EU-Perspektiven gleich begraben." In der UN-Vollversammlung stimmte Serbien für eine UN-Resolution, die den Angriff Russlands auf die Ukraine verurteilt.

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    Russische Truppen bombardieren den Kiewer Vorort Irpin. Tausende Bewohner sind auf der Flucht.
    Russische Truppen bombardieren den Kiewer Vorort Irpin. Tausende Bewohner sind auf der Flucht.
    REUTERS/Carlos Barria