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Ist Boris Johnson am Ende? – Politik-Experte antwortet

Boris Johnson ist in Großbritannien angezählt. Auch Parteifreunde sind gegen ihn, diese könnte mittels Beförderung jedoch zum Schweigen bringen.

Tobias Kurakin
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Boris Johnson hat derzeit allen Grund zum Haare raufen, es wird eng für den Premierminister. 
Boris Johnson hat derzeit allen Grund zum Haare raufen, es wird eng für den Premierminister. 
LEON NEAL / AFP Getty / picturedesk.com

Wie bereits von der "Heute" berichtet, steht Boris Johnson in Großbritannien massiv unter Druck. Der britische Premierminister soll mitten im harten Lockdown nicht nur letzten Dezember eine Weihnachtsfeier, sondern auch diesen Mai eine Gartenparty veranstaltet haben. Mehrere Oppositionelle fordern den Rücktritt des Regierungschefs und auch Teile der eigenen Partei toben. 

Mächtig wie ein Kriegsgeneral im 18. Jahrhundert

Dass Johnson aber über sein Party-Fiasko stolpert, gilt als unwahrscheinlich. Johann Dvorak ist Professor für Politikwissenschaft an der Universität Wien und spezialisiert auf britische Politik. Er ist der Meinung, Johnson bleibt Premierminister und die "Störenfriede" der eigenen Partei seien gut beraten, still zu sein. 

"Wir müssen uns vor Augen führen, dass nahezu kein Regierungschef weltweit so mächtig ist wie der britische Premier - seine Macht gleich der eines Marine-Generals im 18. Jahrhundert", sagt Dvorak. Johnson kann sich demnach stets auf eigene Vollmachten berufen, die nur ihm zustehen. Zwar gehören Partys im Lockdown freilich nicht dazu, dennoch kann Johnson seine Macht anderweitig sichern. 

Dvorak spricht von zwei essenziellen Hebeln der Macht, die der oft so chaotisch wirkende Premierminister fest in seiner Hand hat und die eigene Parteikritik verstummen lassen kann. "Zum einen hat Johnson stets die Chance, Neuwahlen auszurufen, damit droht er Abgeordneten der eigenen Partei indirekt mit einem Jobverlust", so Dvorak. 

Bei einem neuerlichen Urnengang ist es wahrscheinlich, dass Johnsons Torries Stimmen verlieren werden. Da Abgeordnete auf der Insel deutlich weniger verdienen als in Österreich, würden damit einige Parlamentarier im Falle eines plötzlichen Jobverlustes mitten in der Pandemie sehr schlecht dastehen. Freilich könnte Johnson dabei selbst auch das Amt des Premiers verlieren, dieses Risiko könnte er aber eingehen - sein Gehalt bemisst sich auf knapp 160.000 Euro im Jahr

Neuwahlen könnten politische Karrieren zerstören

Wenn Johnson das Risiko der eigenen Abwahl aber nicht eingehen will, gibt es noch eine andere Möglichkeit, unliebsame Politiker zum Schweigen zu bringen. "Der Premier hat derart umfassende Kompetenzen, dass er jeden Politiker zum Minister ernennen darf", sagt Dvorar im Gespräch mit der "Heute".  Was wie eine Beförderung klingt, kann politische Karrieren schnell zerstören. 

Wer beispielsweise in Zeiten hoher Arbeitslosigkeit Arbeitsminister wird, hat einen schweren Stand in der Politik und wird höchstwahrscheinlich nicht wiedergewählt werden. Auch wer vom Premierminister berufen wird, sich um die Agenden in Nordirland zu kümmern, hat keinen leichten Job zu erwarten. Zusätzlich dazu obliegen Ministerinnen und Minister der britischen Regierung den Kabinettszwang - Querschüsse oder Kritik gelten dann als nahezu unmöglich. 

"Boris Johnson ist ein Narr, aber ein hochintelligenter Narr" - Johann Dvorak

"Boris Johnson ist ein Narr, aber ein hochintelligenter Narr", witzelt Dvorak, der fortführend sagt, Johnson wisse genau, was er tue. Seine skurrilen Auftritte und seine kantigen oder wirren Sprüche würden ebenso wie seine Partys nicht dazu führen, dass er gehen muss. Dvoraks Prognose: "Die britischen Medien werden sich noch einige Tage echauffieren und dann ein neues Thema suchen". Johnson wird darüber hinaus Regierungschef bleiben, eine Party deswegen sollte er vielleicht dennoch lieber nicht veranstalten. 

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