Sport
Rapid-Lehrerin Lawson: "Ich bin die Ersatzmama"
Nelly Lawson kennt jeden Rapid-Legionär der letzten 15 Jahre persönlich. Warum? Die Lehrerin hat ihnen allen Deutsch beigebracht.
"Kasten", sagt Ivan Mocinic – und deutet auf ein Memory-Kärtchen. "Tisch", setzt er fort. Der Kroate in Diensten von Rapid sitzt in einem Büro im Bauch des Ernst-Happel-Stadions. Er lernt Deutsch. "Zwei bis drei Mal die Woche", erzählt er bei einem "Heute"-Besuch. "Es macht fast immer Spaß."
Spaß? Das liegt in erster Linie an Nelly Lawson. Die ehemalige Lehrerin, die früher an einer Schule und später bei einem Sprachinstitut gearbeitet hat, ist seit 2002 bei Rapid tätig. Ihr Job: Legionären die Sprache beizubringen.
"Marek Kincl und Tomas Dosek waren meine ersten beiden Spieler", erzählt Lawson. "Zwei ganz nette Jungs, mit ihnen hatte ich viel Spaß."
"Es beginnt mit Fußball-Begriffen"
90 Minuten dauert eine Einheit. Wie oft die Kicker kommen müssen, hängt von den Grundkenntnissen ab. "Heuer hatte ich ein paar Spieler, die anfangs kein Wort Deutsch konnten. Sie sollen natürlich so schnell wie möglich Fortschritte erzielen."
Doch wo setzt man den Hebel an? "Es beginnt eigentlich immer mit Fußball-Begriffen. Mit Dingen, die sie am Spielfeld und im Training brauchen. Das ist das Wichtigste. Und natürlich einfache, alltägliche Sachen."
Lernen für den Alltag
Lawson spricht fünf Sprachen. "Deutsch, Englisch, Französisch, Spanisch und Italienisch", zählt sie auf. "Kroatisch zum Beispiel kann ich aber nicht. Wenn mich ein Spieler nicht versteht, können wir nur versuchen, uns am Anfang mit Bildern zu helfen", erklärt sie ihre Lehr-Methode.
Das spielerische Lernen steht ohnehin im Vordergrund. "Ich zeichne oft selbst ein Fußballfeld, mache Memory-Kärtchen mit Lebensmittel drauf, damit die Spieler im Restaurant oder Geschäft wissen, was sie bestellen. Wir machen auch kleine Brettspiele. Da steht dann zum Beispiel oben: Was hast du heute gefrühstückt? Basics einfach."
Jelavic und Gerson "schwänzten"
Über ihre aktuellen "Studenten" weiß Lawson nur Gutes zu berichten. Doch nicht immer hatte sie es mit Musterschülern zu tun. "Ich hatte auch Spieler, die keine Lust gehabt haben. Nikica Jelavic fällt mir ein. Er hatte einfach nur Fußball im Kopf, den hat nichts anderes interessiert. Der hat dann auch gleich gesagt, dass er nicht will."
Auch der brasilianische Ex-Verteidiger Gerson blieb Lawson in Erinnerung. "Er hatte Schwierigkeiten. Er hat oft fünf Minuten vor der Einheit gesagt, dass er müde ist und nicht will."
Bei anderen scheiterte es schlicht am Können. "Es spielt schon auch eine Rolle, woher ein Spieler kommt und welche Schulausbildung er genossen hat. Fabiano zum Beispiel hat nach der vierten Klasse aufgehört. Da war das Lernen an sich dann schon lange her. Er war zwar willig, aber es ist fast nichts vorangegangen."
Musterschüler: Bejbl und Heikkinen
Große Sprachtalente sind unter den Kickern freilich auch zu finden. "Von der Motivation und der Lernschnelligkeit her waren immer die Jungs aus der Slowakei oder Tschechien top. Es war oft unglaublich, wie schnell die Deutsch gelernt haben. Radek Bejbl hat nach drei Monaten ein Interview auf Deutsch gegeben. Er war besonders begabt."
Auch der Finne Markus Heikkinen stach aus der Masse heraus. "Er hat Interviews immer mit Bravour gemeistert. Er hat einfach geredet. Ihm war egal, ob er Fehler gemacht hat."
Schriftlich überprüft wird der Lernfortschritt nicht. "Nein, ich fände das nicht gut. Es soll nicht wie in der Schule sein. Die Spieler sollen sich wohlfühlen. Ich bin für manche auch eine Art Ersatzmama. Ich helfe den Jungs, wenn sie Probleme haben oder Dinge erledigen müssen."
Mocinic verteilt Sonderlob
"Sie macht das sehr gut", lobt Mocinic. "Nelly ist für mich wirklich mehr als eine Lehrerin." Mitunter stehen auch Ausflüge gemeinsam mit den anderen Legionären auf dem Programm. Zuletzt wurde Schönbrunn besucht.
Momentan sind die Spieler im wohlverdienten Sommerurlaub. Und somit auch Nelly Lawson. Mit einem Auge verfolgt sie freilich auch den Transfermarkt. Um zu sehen, ob neue Legionäre aka Deutsch-Schüler zum Klub stoßen.