Betroffene berichten

Zu wenig Geld – Mann isst nur mehr einmal am Tag

Ein Niederösterreicher kann sich Lebensmittel wegen der Teuerungen kaum mehr leisten. Damit ist er nicht allein, so eine Studie der Armutskonferenz.

Sandra Kartik
Zu wenig Geld – Mann isst nur mehr einmal am Tag
Die Teuerung trifft viele Österreicher hart, ein Fall in Niederösterreich sorgt nun für Aufsehen. (Symbolfoto)
Getty Images

Kevin P. (Name geändert) hat durch bittere Lebensumstände seine Arbeit verloren. Der Niederösterreicher ist Mitte 50 und lebt unter der Armutsgrenze. Die Teuerungen betreffen ihn besonders stark. "Ich esse schon seit längerem nur einmal am Tag", schildert er seinen harten Alltag. Um Geld zu sparen, hat er sich inzwischen an eine Mahlzeit am Tag gewöhnt. Nicht immer ist diese warm.

Inzwischen verlässt er auch seine Wohnung kaum mehr, um sich Ausgaben zu sparen. "Ich habe Kontakte eigentlich völlig abgebrochen und sitze daheim, weil das einfach das Kostengünstigste ist." Für den Gemütszustand des Mittfünfzigers ist das ebenfalls fatal. Dass er so leben muss, hat jedoch nicht nur mit den letzten Preisanstiegen zu tun: "Das ist nicht unmittelbar eine Folge der Inflation im letzten Dreivierteljahr, sondern ich hatte vorher schon kein Geld und habe dementsprechend vorher schon Maßnahmen setzen müssen."

Kaffee und Bier sind Luxus geworden

Kevin P. ist einer etwa 1,5 Millionen Österreichern, die armutsbetroffen sind. Er schilderte seine Lebenssituation auch in einer aktuellen Studie der Armutskonferenz. Normale Dinge, die früher auch mit weniger Geld möglich waren, müssen immer mehr Menschen aus ihrem Leben streichen. "Einen Kaffee trinken ist Luxus geworden", erzählt eine betroffene Frühpensionistin aus Innsbruck. Nach einer Erkrankung kann Mimi R. (Name geändert) nicht mehr arbeiten gehen, sie muss jeden Euro umdrehen.

"Man fängt beim Automatenkaffee in der Klinik an, der kostet 1,10 oder 1,20 Euro. Man beginnt zu sparen und sucht sich einen billigeren Automaten. Man setzt sich an die Universität, weil man weiß, da kriegt man um 50 Cent noch einen Kaffee. Da kann man sich sogar zwei Luxus-Kaffees gönnen." 

Auch ein Steirer Mitte 40 muss sich einfache Vergnügen nun verbieten, obwohl er zur unteren Mittelschicht zählt. "Früher bin ich jedes Wochenende in irgendein Lokal gegangen – zwei, drei Bier und so weiter... Das mach ich nicht mehr, das kann ich mir nicht mehr leisten", ist er traurig.

Scham und fragwürdige Nebenverdienste

In der Erhebung schildern Armutsbetroffene auch, wie sie versuchen mit allen Mitteln über die Runden zu kommen. "Ich habe mich wirklich reduziert. Viel weiter geht’s nicht", ist ein Niederösterreicher Mitte 50 verzagt. "Das nächste ist dann Plasma spenden, dass halt auch von der Seite ein bisschen was reinkommt. Oder halt Medikamentenstudien."

Viele wollen ihre finanzielle Situation am liebsten verbergen, aus Scham, nicht mithalten zu können. "Bei Freunden, die wohlhabend sind, rede ich nicht über meine Probleme, weil ich möchte mich nicht klein fühlen", bringt es ein Wiener auf den Punkt. Auch er zählt zur unteren Mittelschicht, genau wie eine weitere Wienerin, die den Gürtel nun bedeutend enger schnallen muss: "Da ist eine große Sorge, eine Angst in mir drinnen. Manchmal lasse ich das raus, ich spreche darüber mit meinem Mann. Ich finde auch, es ist peinlich. Meistens behalte ich das deshalb bei mir."

Mittelschicht stärker betroffen

Studienautorin Evelyn Dawid fasst den Ernst der Lage zusammen: "Armutsbetroffene lebten in Österreich bereits vor der Teuerung am Limit oder regelmäßig auch darunter. Die kleinste finanzielle Mehrbelastung bringt bei ihnen stets das Gleichgewicht – sofern es überhaupt eines gibt – durcheinander." Konkret heißt das: "Ihre Lebensrealität besteht im Alltag darin, mit den Rechnungen und Ausgaben zu jonglieren: Wenn Geld hereinkommt, wird eines der Löcher gestopft. Es gab keine Stunde Null vor der Teuerung, in der die Haushaltsbudgets der Armutsbetroffenen ausgeglichen gewesen wären.“

Für den Sozialexperten Martin Schenk von der Armutskonferenz ist klar: "Die Krise offenbart die Lücken und Fehlentwicklungen von vorher umso schmerzlicher – auch für diejenigen, die jetzt neu betroffen sind. Ärmeren wirklich zu helfen, heißt also, die Teuerung auszugleichen und die Probleme von vorher zu lösen". Die Ziele müssten deshalb sein: Armut verringern, Teuerung ausgleichen, Preise dämpfen. "Auf die untere Mittelschicht sollte dabei im Sinne der Armutsvermeidung besonderes Augenmerk gelegt werden", warnt Schenk.

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