50-Tage-Limit pro Jahr

Zu oft krank: Rapid-Fan soll 60 € pro Fehltag zahlen 

Behinderte, die in einer Wiener Tagesstätte betreut werden, dürfen nur 50 Tage pro Jahr fehlen – egal, ob sie krank oder auf Urlaub sind.

Wien Heute
Zu oft krank: Rapid-Fan soll 60 € pro Fehltag zahlen
Christian S. besucht täglich die Tagesstruktur von Jugend am Werk in Hirschstetten.
Jugend am Werk/ORF Bürgeranwalt

Seit 36 Jahren verbringt Christian S. (52) seine Tage in der Behinderten-Werkstätte von "Jugend am Werk" in Hirschstetten (Donaustadt). Der glühende Rapid-Fan, der seine Freizeit gerne im Fußball-Stadion verbringt, verlässt wochentags jeden Morgen um 8 Uhr seine WG in Gerasdorf (NÖ) und fährt mit öffentlichen Verkehrsmitteln zur Tagesstruktur.

Doch die geliebte Routine wurde im vergangenen Oktober durch einen Anruf bei seiner Cousine Sonja C. – sie ist seine Erwachsenenvertreterin – jäh zerstört: "Mir wurde mitgeteilt, dass Christian bis Jahresende nur noch einen einzigen Tag übrig hat, an dem er fehlen darf. Ich bin aus allen Wolken gefallen", erzählte Sonja C. in der am 3. Februar ausgestrahlten ORF-Sendung "Bürgeranwalt".

Vater eines schwer behinderten Sohnes über neue Regelung unglücklich

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    Behinderter Teenager
    Behinderter Teenager
    Getty Images (Symbolfoto)

    Krankenstand wurde zu den Fehltagen gezählt

    Die Wienerin ließ sich daraufhin die genaue Aufstellung der Fehltage für 2023 zuschicken: "Da habe ich dann gesehen, dass die Krankenstandstage (u.a. wegen eines gebrochenen Wadenbeins, Anm.) auch dazu gezählt wurden, und er eigentlich nur 14 Tage auf Urlaub war." 

    Überschreitet eine in der Tagesstätte betreute Person die 50 Fehltage gibt es Sanktionen: Für jeden weiteren Fehltag müssen 60 Euro Platzhaltergebühr bezahlt werden: "Das geht sich bei Christian einfach nicht aus. Er bezieht zwar eine Waisenpension, davon zieht der Fonds Soziales Wien (FSW) aber für die Werkstätte und für die WG einen Großteil ab. Da bleibt nicht nicht mehr viel übrig", so Sonja C.

    Ich finde das nicht gerecht, dass man Urlaub und Krankenstand in einen Topf wirft. Man sollte das klar trennen
    Sonja C.
    Cousine und Erwachsenenvertreterin von Christian S.

    Und weiter: "Ich finde das nicht gerecht, dass man Urlaub und Krankenstand in einen Topf wirft. Man sollte das klar trennen", urteilt die Wienerin. Dabei gibt es jedoch ein Problem: Denn Menschen wie Christian S. sind trotz ihrer Tätigkeiten wie Postversand oder Verpackungsarbeiten nicht in einem Arbeitsverhältnis. Daher können sie auch nicht in Krankenstand gehen.

    Auch Volksanwalt Bernhard Achitz kritisiert die Regelung der 50 Fehltage, die der FSW in Wien den Partnerorganisationen vorschreibt: "Das ist ein klarer Verstoß gegen die UN-Behindertenrechtskonvention, denn auch Menschen mit Behinderung haben ein Selbstbestimmungsrecht über ihren Aufenthaltsort sowie ein Recht auf Familienleben."

    Volksanwalt fordert Lohn statt Taschengeld

    Eine weitere Forderung des Volksanwaltes: Lohn statt Taschengeld sowie sozialversicherte Arbeitsverhältnisse für Menschen in Werkstätten. "Die Umsetzung würde wohl auch bedeuten, dass Herr S. wie andere Arbeitnehmer in Krankenstand gehen könnte, ohne dass dadurch sein Urlaubsanspruch verfällt." Wie eine Vertreterin des FSW erklärte, werde derzeit eine Änderung der Fehltage-Regelung diskutiert. Man müsse aber sorgsam mit öffentlichen Mitteln umgehen, sie müssten effizient eingesetzt werden.

    red
    Akt.