Oberösterreich

"Wollte Bruder verletzen, um ins Gefängnis zu kommen"

Wegen versuchten Mordes an seinem Bruder steht ein Mühlviertler (48) vor Gericht. Der Beschuldigte wollte schon vor der Tat unbedingt ins Gefängnis. 

Teilen
Der Beschuldigte soll versucht haben, seinen Bruder mit einem Messerstich zu töten.
Der Beschuldigte soll versucht haben, seinen Bruder mit einem Messerstich zu töten.
W.M.

Um 9.57 Uhr betrat der angeklagte Günther A. (48) am Dienstag über einen Seiteneingang den Gerichtssaal im Erdgeschoß des Linzer Landesgerichts. Ohne Handschellen aber in Begleitung eines Justizwachebeamten nahm der 48-Jährige vor dem Richter Platz. Nach knapp einem halben Jahr in Untersuchungshaft wirkte der Beschuldigte etwas abgemagert. Trotz 25 Grad Außentemperatur trug der Mühlviertler einen Pullover. Dieser wirkte wie auch seine Jeans eine Nummer zu groß.

Wie schon berichtet, soll der Angeklagte am 23. Dezember letzten Jahres versucht haben, seinen um zwei Jahre älteren Bruder Franz durch einen Messerstich in den Rücken zu töten. Bei den ersten Vernehmungen sagte er laut Anklage: "Ich hoffe mein Bruder ist tot. Hätte ich eine Pistole, hätte ich auf ihn geschossen."

Vor Gericht relativierte er die Aussagen, meinte: "Das habe ich aus der Wut heraus gesagt. Ich könnte gar nicht damit leben, hätte ich meinen Bruder getötet. Ich wollte nur unbedingt ins Gefängnis, um die drohende Obdachlosigkeit zu vermeiden. Das habe ich nämlich schon einmal erlebt und das war das Schlimmste in meinem Leben."

Jahrelanger Streit

Hintergrund: Zwischen Günther A., seinem Bruder und deren Schwester gab es schon jahrelangen Streit um das Wohnrecht am elterlichen Hof in Kirchschlag (Bez. Urfahr-Umgebung). Dem Ältesten wurde 2010 der Hof von den Eltern überschrieben, die Geschwister bekamen ein zehnjähriges Wohnrecht.  

Bis zu der mutmaßlichen Messer-Attacke einen Tag vor Heilig Abend im vergangenen Jahr lebte der Angeklagte alleine in einem sogenannten Zubau des Bauernhofes. Er durfte dort zwei Zimmer, eine kleine Küche sowie ein Bad sein Eigen nennen. 

Es ging um die Betriebskosten

Doch nach dem Tod der Eltern in den Jahren 2017 und 2018 wurde die die Situation laut dem 48-Jährigen immer schlimmer. Der Bruder habe plötzlich Betriebskosten von Günther A. verlangt. Die Rede war dabei von 200 - 500 Euro. Das wollte der Beschuldigte, der bis dahin gratis am Hof lebte, so nicht hinnehmen.

Im März 2020 eskalierte die Situation dann erstmals so richtig. Mit einem Messer in der Hand soll der 48-Jährige seinem Bruder nachgelaufen sein und geschrien haben: "Ich steche dich ab." Die Folge: eine achtmonatige, bedingte Haftstrafe.

Ab Juni 2020 lebte er dann aber wieder am Hof. Die Streitigkeiten wurden nicht weniger. Ganz im Gegenteil: Einer Räumungsaufforderung folgte dann im Oktober eine Räumungsklage. Jetzt erkannte der Mühlviertler den Ernst der Lage: "Anfangs dachte ich noch an einen Scherz von meinem Bruder. Ich habe lange geglaubt, dass ich ihn noch überreden kann und doch noch bleiben darf."

10.000 Euro angeboten

Sein Bruder habe ihm aber deutlich gesagt, dass er sich "schleichen soll." Dabei hat er ihm laut eigenen Aussagen auch angeboten, ihm rund 10.000 Euro zu geben, wenn er bleiben dürfe. Aber auch das habe das spätere Opfer abgelehnt.

Als er dann am Tattag hörte, wie Franz A. mit deren Schwester telefonierte und meinte, Günther müsse endlich weg vom Hof, brannten bei ihm alle Sicherungen durch. Der 50-Jährige soll verlangt haben, dass auch der Beschuldigte mit der Schwester spricht. "Das wollte ich aber nicht. Ich rede schon seit zehn Jahren nicht mehr mit ihr."

Als A. seinem Bruder das Telefon ans Ohr drückte, warf dieser es zu Boden und ging in den Keller. Dort holte er laut Anklage dann ein 36 cm langes Fleischermesser (Klinge: 22 cm) und kam zurück. Zu diesem Zeitpunkt befand sich der 50-Jährige, immer noch telefonierend, in der Garage.  

Als ihm Franz A. den Rücken zudrehte, stach der Beschuldigte ihm laut Staatsanwaltschaft hinten links in den Rücken. Laut Gutachten so fest, dass das Opfer nur durch eine Notoperation gerettet werden konnte. Dabei meinte der Beschuldigte, er habe gewusst, dass er ihn durch einen Stich in diesem Bereich nicht schwer verletzen kann. "Ich hatte schon mehrere Hautoperationen und habe auch bei Serien im TV gesehen, dass hier keine lebenswichtigen Organe sind."

25.000 Euro Bargeld

Kurz nach dem Angriff konnte die Lebensgefährtin des Opfers dem mutmaßlichen Täter das Messer aus der Hand schlagen. Dieser packte daraufhin sein gesamtes Erspartes (ein Sparbuch mit 17.000 Euro und 25.000 Euro Bargeld) und rannte davon. Laut eigenen Aussagen lief er aber der alarmierten Polizei schon entgegen und meinte sie solle ihn verhaften.

Auf die Frage, warum er denn mit dem Geld nicht eine neue Wohnung finanziert hätte, meinte er nur: "Das geht nicht. Ich brauche das Geld für meinen letzten Lebensabschnitt für Heroin." Er selbst gab an, viele Jahre Cannabis (teilweise bis zu 30 Joints am Tag) konsumiert zu haben. Er habe es am elterlichen Hof selbst angebaut.

Der seit 2010 Arbeitslose betonte vor den Geschworenen immer wieder. "Ich wollte meinen  Bruder nur verletzten, um ins Gefängnis zu kommen. Allerdings habe ich mir dort alles viel schöner vorgestellt - bessere Haftbedingungen und besseres Essen. Die Matratzen sind verschmutzt - hier herrschen Zustände wie in Mexiko", beschwerte sich der Mühlviertler. 

Allerdings wird er noch eine Zeit lang damit leben müssen. Denn ihm droht wegen versuchten Mordes lebenslange Haft. Am Dienstag wurde der Prozess vertagt. Am Mittwoch stehen die Abschlussplädoyers und die Beratungen der Geschwornen an. Danach soll ein Urteil gesprochen werden.

1/52
Gehe zur Galerie
    <strong>23.11.2024: Verschwunden! Rätsel um Goldschatz aus Wiener Villa</strong>. In einer alten Villa in Wien-Penzing sollen 30 Kilo Gold gefunden worden sein. <a data-li-document-ref="120073714" href="https://www.heute.at/s/verschwunden-raetsel-um-goldschatz-aus-wiener-villa-120073714">Plötzlich will niemand mehr wissen, wo das Edelmetall ist.</a>
    23.11.2024: Verschwunden! Rätsel um Goldschatz aus Wiener Villa. In einer alten Villa in Wien-Penzing sollen 30 Kilo Gold gefunden worden sein. Plötzlich will niemand mehr wissen, wo das Edelmetall ist.
    Leserreporter