Ukraine
UNO fürchtet, Putin könnte jetzt völlig durchdrehen
Die Teilmobilisierung und die Scheinreferenden sind eine massive neue Eskalationsstufe, die Putin im Ukraine-Krieg gesetzt hat.
Die dreitägige "Spezialoperation" der russischen Armee in der Ukraine tobt nun schon seit sieben Monaten. Große Erfolge blieben in den letzten Wochen aus, stattdessen mussten die Russen sogar in der Region Charkiw einer Gegenoffensive der Verteidiger nachgeben – eine Situation, die im Kreml sicher nicht für freudige Stimmung gesorgt hat.
Präsident Wladimir Putin sah sich offenbar unter Zugzwang. Eiligst werden in den besetzten Gebieten Scheinreferenden organisiert, die in den nächsten Tagen den Anschluss an Russland als Volkswillen beglaubigen sollen. Gleichzeitig hat Putin eine Teilmobilmachung angeordnet durch die 300.000 Reservisten eingezogen werden sollen, um dann an die Front geschickt zu werden.
Die russische Propaganda-Narrative: die besetzten Gebiete wären nach den Scheinreferenden offiziell russisches Staatsgebiet, das es wie damals beim Großen Vaterländischen Krieg (Russland-Feldzug der Wehrmacht ab 1941, Anm.) "mit allen Mitteln" gegen Nazis, die NATO und ganz allgemein den Westen zu verteidigen gilt.
Atom-Drohungen aus Moskau
Es ist jedenfalls eine gewaltige Eskalation des Konflikts, die Wladimir Putin nun in die Wege geleitet hat. "Präsident Putin handelt nicht aus einer Position der Stärke heraus", betonte US-Außenminister Antony Blinken in einer ersten Reaktion. "Vielmehr ist dies ein weiteres Zeichen seiner fehlgeschlagenen Mission."
Dennoch bereiten die von Wladimir Putin im selben Atemzug ausgesprochene Atomdrohungen bereiten Sorgen: "Sollte unsere territoriale Integrität in Gefahr geraten, werden wir alle Mittel, die uns zur Verfügung stehen, nutzen, um Russland und seine Bürger zu verteidigen. Das ist kein Bluff", warnte der Kreml-Despot in seiner TV-Ansprache und verwies mit Nachdruck auf seinen eigenen Atom-Knopf: "Diejenigen, die uns mit Atomwaffen erpressen, sollen wissen, dass sich der Wind auch in ihre Richtung drehen kann".
Dreht Putin jetzt durch?
Zwar ist es nicht neu, dass die Russen zumindest in ihrer Propaganda mit virtuellen Atombomben um sich werfen, doch etwas hat sich geändert. Die internationale Staatengemeinschaft befürchtet offenbar mittlerweile, dass der Russen-Präsident durchdrehen könnte.
"Es heißt bisher, Wladimir Putin hat aggressiv reagiert, aber immer auch in einem gewissen Vernunftrahmen. Da ist man sich mittlerweile nicht mehr ganz so sicher ob er das weiter so handhabt. Ob er also weiter im besten eigenen Interesse handelt, oder ob er nicht jetzt eine emotionale Entscheidung trifft, die möglicherweise sehr folgenschwer sein wird", schildert ORF-Korrespondent Thomas Langpaul am Donnerstag die Besorgnis innerhalb der Vereinten Nationen, die gerade in New York tagen.
Westen soll Angst bekommen
Dahinter dürfte durchaus Kalkül stecken, wie Osteuropa-Experte Alexander Dubowy gegenüber dem Schweizer Nachrichtenportal "20 Minuten" schildert: "Putin versucht, in irgendeiner Form gesichtswahrend aus diesem Krieg zu kommen. Nachdem der Druck gegen Kiew nicht funktionierte, erhöht er nun den Druck gegenüber dem Westen. Westliche Regierungen sollen Angst vor einer unkontrollierbaren Eskalation und einem atomaren Krieg bekommen. Damit werden die Nato und die EU auf die Probe gestellt."
Die Wahrscheinlichkeit, dass es wirklich so weit kommt, schätzt Dubowy als "nach wie vor gering" ein. "Die politische Elite um Putin würde solche Eskalationen nicht mittragen. Das weiß auch Putin. Die Drohungen dienen dazu, dass der Westen sich verhandlungsbereit zeigt." Darauf würde der Kreml-Chef nun setzen.
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