Wirtschaft
WKO-Chef Mahrer schockt: "Größtes Problem der Republik"
Schon bald werden in Österreich fast 600.000 offene Stellen nicht mehr besetzt werden können. Wirtschaftskammer-Chef Mahrer schlägt deswegen Alarm.
Der Arbeitskräftemangel in Österreich verschärft sich rapide: Bis 2040 werden 363.000 offene Stellen in Österreich unbesetzt bleiben – und das zusätzlich zu den rund 220.000 Jobs, die bereits jetzt schon auf Dienstnehmer warten. Wirtschaftskammer-Präsident Harald Mahrer schlug angesichts dieser extremen Schieflage am Dienstag Alarm.
Diese düsteren Zahlen, die Berechnungen der Synthesis Forschung und des WIFO entspringen, sind für den WKO-Chef ein "Weckruf an die Republik", hier endlich Maßnahmen zu entwickeln bzw. umzusetzen, mit denen wirksam gegengesteuert werden kann. Geschieht das nicht, "dann kostet uns das alle Wohlstand", warnt Mahrer.
In der ZIB2 mit Armin Wolf legte der ÖVP-Grande noch einmal nach: "Wir bekommen ein enormes Problem!" Deswegen schlage er nun Alarm "vom Bodensee bis zum Wörthersee, damit das auch ja gehört wird".
Den größten Bedarf an zusätzlichen Arbeitskräften gibt es demnach bis 2040 in Wien (+83.278) gefolgt von Oberösterreich (+64.426) und Niederösterreich (+60.442) – selbst im Burgenland werden noch 10.365 weitere Dienstnehmer gesucht werden.
"Wir bohren hier dicke Bretter"
"Es fehlt an allen Ecken und Enden. Es geht nicht um Super-Spezialisten, sondern um Arbeitskräfte quer durch alle Branchen, Ausbildungsgrade und Bundesländer", erklärt der WKO-Boss. Deshalb brauche es Anreize, mehr zu arbeiten – ob steuerlich oder in der Kinderbetreuung.
Letztere Thematik ließ ihn während des ORF-Talks regelrecht aufblühen. Der Ausbau von Kinderbetreuung und Ganztagsschulen sei ihm eine "Herzensangelegenheit", die unbedingt von der Politik vorangetrieben werden müsse. Die Wirtschaft selbst setzte schon Schritte in diese Richtung, "aber wir sind weit weg von dem wo wir sein wollen".
Armin Wolfs Einwand, dass dies oftmals an Blockaden durch Akteuren seiner eigenen Partei scheitere, versteht Mahrer nicht als ÖVP-inhärentes Problem. "Das kann man nicht an einer parteipolitischen Haltung festmachen, sondern der Herkunft, des Alters der Personen" In einigen Regionen sei man aufgeschlossener, in anderen nicht. "Wir bohren hier dicke Bretter", erklärte er dazu.
4-Tage-Woche ein "Todesurteil"
Die aktuellen Debatten rund um die Einführung von 4-Tage-Wochen oder der Reduktion regulärer Arbeitszeiten sind dem Wirtschaftsvertreter ganz offensichtlich ein Graus. Bei einem Pressegespräch am Dienstag bezeichnete er diese sogar als "volkswirtschaftliches Todesurteil".
"Es ist ein Märchen, dass es dem Land besser geht, wenn alle nur 32 statt 40 Stunden arbeiten", so türkise Politiker dabei. In der ZIB2 wiederholte er seine Absage: "[...] dass viele Menschen weniger arbeiten wollen, das wird sich pro futuro [lat., in Zukunft] nicht ausgehen und geht sich schon jetzt nicht aus".
Der 49-Jährige holte hinsichtlich der veränderten Ansprüche innerhalb der Gesellschaft weit in die Vergangenheit aus: "Wie ich noch ein Kind war, hatte die Bäckerei am Sonntag in der Früh nicht offen. Und heute würden sich alle natürlich wünschen, dass sie, wenn sie am Sonntag in der Früh in die Bäckerei gehen, offen hat und man dort sein Semmerl und sein Salzstangerl bekommt." Und die müsse eben auch erst jemand herstellen.
Kurzum: Die 4-Tage-Woche ist für den Wirtschaftskammerpräsidenten nicht drin.
Zuwanderer sich "nicht auf die Parkbank setzen"
Doch wie soll Österreich einen solch gravierenden Arbeitskräftemangel ausgleichen? Für Mahrer ist klar, dass dies nur über Arbeitskräfte aus dem Ausland. Er sieht die Alpenrepublik hier in einem Konkurrenzkampf mit anderen Industrienationen und fordert von der Regierung deshalb eine Strategie für qualifizierte Zuwanderung.
Der Tenor des ÖVPlers ist klar: Man wolle die Leute ins Land holen, die arbeiten wollen, die die Ärmel hochkrempeln und die sich nicht auf die Parkbank setzen und den anderen beim Arbeiten zusehen. "Wenn wir nicht umdenken, wird das zum größten Problem der Republik".
Nichts zu tun, kostet uns viel
Nichts zu tun, ist für den WKO-Boss keine Option, denn das würde dem Staat massive Kosten verursachen. 2040 würde den eigenen Angaben zufolge das Bruttoinlandsprodukt in Österreich um 9 Prozent geringer ausfallen, als mit ausreichenden Arbeitskräften. Das wären immerhin zu aktuellen Preisen 50 Milliarden Euro an Wirtschaftsleistung. Das würde auch der Fiskus zu spüren bekommen. Zwischen 2030 und 2040 würden dem Staat rund 150 Milliarden Euro an Steuern und Sozialversicherungsbeiträgen entgehen.