Ukraine

Wird ein Kriegsende auch Putins Ende?

Weder ein Ende des Konfliktes noch ein Ende der Putin-Herrschaft sind absehbar, der Historiker Jörg Beberowski versucht, Antworten zu finden. 

Tobias Kurakin
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Wladimir Putin ist nun seit mehr als 20 Jahren an der Macht in Russland.
Wladimir Putin ist nun seit mehr als 20 Jahren an der Macht in Russland.
ALEXEY VITVITSKY / AFP / picturedesk.com

Was geht im Kopf von Wladimir Putin vor? Diese Frage dürfte beinah ganz Europa schon seit einigen Tagen beschäftigen. Der russische Präsident, der den ersten Angriffs-Krieg auf europäischem Boden seit Adolf Hitlers Überfall auf Polen 1939 befohlen hat, wirkt gefährlich irrational. Der Historiker Jörg Beberowski spricht nun von begrenzten Optionen, die der Kreml-Chef noch hätte, um den Konflikt zu beenden. 

"Putin ist schon lange nicht mehr Herr der Lage", sagt Beberowski im Gespräch mit der "Wiener Zeitung" und spricht davon, dass sich der Kreml-Chef verspekuliert hat. Von einem schnellen Krieg, einen Blitzkrieg, der die Ukraine binnen weniger Tage in die Knie gezwungen hätte, dürfte Putin wohl geträumt haben. Doch die Ukraine leistet erbitterten Widerstand gegen den Aggressor und auch die EU zeigt ihre Muskeln. 

Die harten Sanktionen der Staaten-Gemeinschaft hätten auch innerhalb Russland ihre Wirkung gezeigt. Die Zustimmung in der russischen Bevölkerung zum Krieg und zu ihrem Präsidenten ist auf einem Tiefpunkt, die Stimmung ist angespannt. Ein Sturz Putins durch die Zivilgesellschaft scheint jedoch für den Experten unrealistisch. 

"Es gibt in Russland keine Zivilgesellschaft, die imstande wäre, sich zu organisieren, um das Regime zu stürzen", hält Beberowski fest. Putins Verbündete, Außenminister Sergej und Verteidigungsminister Sergej Schoigu würden zudem wissen, dass Putins Ende auch das ihrige wäre. 

Die Geheimdienste oder das Militär seien jedoch mögliche Player, die den Autokraten die Macht entreißen könnten. Hierfür sei jedoch die Voraussetzung, wenn die militärische Führung erkennen würde, dass der "Untergang unvermeidbar wäre und sich auch Putins Gefolgschaft in Sicherheit bringen würden". Es wäre ein mögliches unblutiges Szenario, so Beberowski. 

Eine neue Regierung könnte Russland in der Folge aus dem Krieg herausbringen und die innerpolitische Lage im Land stabilisieren. Das gleiche Spiel könnte dem Experten zufolge jedoch auch dazu führen, dass Diadochen-Kämpfe um die Nachfolge des Langzeit-Präsidenten entstehen würden, die das Land in "Anarchie und Chaos stürzen". 

Ein demokratischer Wandel in Russland sei hingegen mehr Wunschdenken. Selbst bei demokratischen Wahlen würden in Russland die Kommunisten oder die Neofaschisten an die Macht kommen, meint der Experte, der anfügt: "Moskau ist nicht Russland". Derzeit sei zu erwarten, dass die Regierung, die auf Putin folgt "nicht weniger autoritär" herrschen wird. 

Putins Ausweg heißt "noch mehr Eskalation"

Ein Ende des Krieges ist derzeit ohnehin nicht abzusehen. Mittlerweile würden zwar immer wieder Berichte laut, die davon sprechen, dass die Moral unter den russischen Angreifern sinken würde. Soldaten würden demnach nicht verstehen, wieso in anstehenden Häuser-Kämpfen auf Menschen schießen müssten, die gleich leben wie sie und die gleiche Sprache sprechen. Putin hat jedoch auch tschetschenische Söldner in die Ukraine geschickt, die für ihre Brutalität bekannt sind. Durch Sanktionen und die zähe Kriegslage liegt jedoch der traurige Schluss nahe, dass Putin nur noch weiter eskalieren könne.

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    Nach ukrainischen Medienberichten ist es in der Nacht zu Mittwoch zu Gefechten mit der russischen Armee gekommen. In Charkiw, der zweitgrößten Stadt des Landes, haben russische Soldaten ein Krankenhaus angegriffen, meldete die Agentur Unian.
    Nach ukrainischen Medienberichten ist es in der Nacht zu Mittwoch zu Gefechten mit der russischen Armee gekommen. In Charkiw, der zweitgrößten Stadt des Landes, haben russische Soldaten ein Krankenhaus angegriffen, meldete die Agentur Unian.
    SERGEY BOBOK / AFP / picturedesk.com