Szene
"Ach, du bist so eine Deutschpop-Schwuchtel"
"Heute" hat den Deutschpop-Star kurz nach Veröffentlichung seines neuen Albums "Irgendwie anders" getroffen.
Mit seinem Debütalbum hat sich Wincent Weiss an die Spitze des Deutschpop gesungen. Titel wie "Musik sein" und "Feuerwerk" laufen nach wie vor täglich im Radio. Mit "Irgendwie anders" legt der 26-Jährige nun sein Zweitlingswerk nach.
Mit "Heute" hat er über die Arbeit am neuen Material, über die Wahrnehmung von Deutschpop, Anfeindungen im Netz und seinen persönlichen Musikgeschmack geplaudert.
Heute: Seit etwas mehr als einer Woche ist dein neues Album
"Irgendwie anders" draußen. War irgendwas anders? Was war anders? Warum der Titel?
Wincent Weiss: Für mich tatsächlich ja. Für mich war das ein ganz, ganz, ganz anderer Prozess, das Album zu machen, als beim ersten Album. Bei ersten Album war ich ja ein ganz neuer Newcomer. Keiner kannte mich, ich kannte nichts. Ich wusste nicht, wie die Musikbranche funktioniert, wie Deutschpop klingen muss. Ich hab mit 40 Songwritern gearbeitet, hab 40 Songs produziert. Ich wusst nicht, wie soll ich klingen. Beim zweiten Album hab ich jetzt alles gecuttet, was es so gibt, hab der Plattenfirma nichts mehr vorgespielt. Ich hab gesagt: 'Ich geh ins Studio und mach mein Album so wie ich es möchte'. Hab nur mit zwei Songwritern Songs gemacht, hab einen ganz familiären Raum gehabt. Das war eine ganz neue und viel schönere Erfahrung. Es war eine ganz entspannte Arbeit. Wir haben viel mehr ausprobiert, uns nicht mehr an Normen gehalten. Eigentlich kann man im kreativen Bereichen wie Musik doch alles machen, was man möchte.
„„Da haben aber viele verschiedene Köchen drin rumgerührt."“
Das heißt, das neue Album ist viel mehr du, viel authentischer als dein Debütalbum?
Naja, das klingt ein bisschen negativ. Das erste Album war auch zu einhundert Prozent ich. Da haben aber viele verschiedene Köche drin rumgerührt. Das zweite ist jetzt viel intimer für mich. Jetzt wird es schon sehr persönlich, wo man mich besser kennenlernen kann. Viel über Beziehung, über Familie.
Musikalisch gibt es einige Überraschungen auf "Irgendwie anders".
Es gibt zum Beispiel "Was machst du mit mir". Es ist so ein Song wo man denkt, 'Oh, das hab ich jetzt nicht erwartet'. Da kommt ne Kopfstimme im Chorus und ein Bassdrop. Das hätte man auf der ersten Platte von mir niemals gehört. Wir haben viele Sachen ausprobiert. Es gibt zum Beispiel einen Schlagzeuggroove von Massive Attack, viele neue Facetten, die man sonst bei Deutschpop nicht so erwartet. Das hätt ich mich am ersten Album nie getraut. Ich wollte der Deutschpopsänger sein, der erwartet wird. Beim zweiten Album denke ich 'Hey, ich will einfach Ich sein'.
Textlich zieht sich irgendwie ein roter Faden durch das Album. Viele Songs handeln vom Schlussmachen und die Zeit danach. "Zeichen", "Pläne", "Warum", "Endlich leichter" - was steckt da dahinter?
Jeder Song ist autobiografisch und erzählt das, was mir passiert ist. Ich war fünf Jahre mit meiner Freundin zusammen, wir haben auch schon zusammen gewohnt. Es ist alles so passiert, wie ich es erzähle. Dass das dann durch die Musik bei mir auseinanderbricht, so eine lange Beziehung, das fand ich schon heftig. Der Beziehung hab ich dann auch lange nachgetrauert und viele Songs darüber geschrieben.
Hast du irgendeinen Lieblings-Song auf deinem Album?
Nein, ich hab alle 13 Songs gleich lieb. Alle 13 Songs erzählen eine Geschichte von mir, das was mir in den letzten drei Jahren so passiert ist. Die Leute sehen ja immer nur das, was auf Social Media passiert und die Fotos von Awardshows und die Konzerte und die Glitzerwelt. Alles andere, was so passiert, erfahren sie nicht. Und da find ich es wichtig, das in 13 Songs Revue passieren zu lassen.
„„Ich bin aber in erster Linie dazu da, Künstler zu sein und Musik zu machen, kreativ zu sein und live zu spielen."“
Hat es Druck gegeben, von dir selber oder von außen, den Erfolg vom ersten Album zu wiederholen?
Ich bin der Wurscht-Typ. Ich hab mir da echt keinen Druck gemacht, ehrlich gesagt. Die Plattenfirma will das natürlich im Idealfall so. Ich bin aber in erster Linie dazu da, Künstler zu sein und Musik zu machen, kreativ zu sein und live zu spielen. Ich häng mich da nicht an Zahlen auf, sondern bin froh, wenn Leute die Songs hören und mir Feedback geben und Kritik. Es ist mir wichtiger, live zu spielen als ein Album zu verkaufen. So ein Album ist schnell gekauft oder downgeloaded. Aber sich einen Samstagabend Zeit zu nehmen und mit der Familie auf ein Konzert zu kommen, das ist ein viel größeres Commitment als sich was zu kaufen.
Gibts schon Reaktionen auf das neue Album und wie schauen die aus?
Wir haben auf dem Album viele neue Sachen ausprobiert. Trotzdem musste ich wieder so Rezensionen lesen - klingt alles gleich, der gleich Deutschpop-Einheitskram, den man sonst auch kennt. Find ich aber gar nicht. Ansonsten gibt es sehr viele positive Reaktionen von den Fans. Natürlich gibts auch Leute, die das nicht gut finden. Ich find es schade, dass es Kritiken gibt von Leuten, die Deutschpop einfach nicht mögen. Dann schreiben sie lieber eine Rezension, die negativ ist. Konstruktive Kritiken nach Anhören des Albums find ich viel besser. Aber diese Grundeinstellung von wegen 'Ich mag Deutschpop eh nicht, deswegen schreib ich jetzt was Negatives'. Das passiert bei ganz vielen Magazinen, die sehr Deutschrap-lastig sind. Jeder Song klingt gleich - das kann man bei meinem Album wirklich nicht sagen.
„„Ach du bist so eine Deutschpop-Schwuchtel"“
Negative Sachen schreiben sich auch einfacher.
Das ist ja heutzutage in den Sozialen Medien noch viel einfacher, dass man anonym Kritik ausüben kann. Ich sag den Leuten immer, schreibt im Internet nur das, was ihr den Leuten auch ins Gesicht sagen würdet. Da würde schon mal sehr viel Negativität wegfallen. Ich lese ganz oft: 'Ach, du bist so eine Deutschpop-Schwuchtel'. Leute beleidigen mich im Internet. Und da denk ich mir immer, würden mir die das auch genauso ins Gesicht sagen, würde mir das ein 15-jähriger Junge, der Deutschrap hört, auch so ins Gesicht sagen? Das würde ich anzweifeln.
Wenn sie wissen würden, dass du 1,88 Meter groß bist, noch viel weniger.
Die Leute glauben immer, ich sei viel kleiner. Speziell beim Fotomachen. Vielleicht liegt es daran, dass ich so ein junges Gesicht hab. Es ist aber süß zu hören, 'Du bist gar nicht so klein wie ich dachte'.
Ab dem 7. Mai sieht man dich in der neuen Staffel von "Sing meinen Song". Wie war der Dreh in Südafrika?
Es war eine ganz, ganz neue Erfahrung für mich und irgendwie auch eine ganz komische. Auf der Bühne fühle ich mich eigentlich irrsinnig wohl, da kam es mir aber so vor wie bei einer Prüfung. Du stehst vor sechs Vollblutmusikern, die hören natürlich alles, jeden falschen Ton, wenn du aus dem Timing bist. Das war schon eine komische Herausforderung. Klar, war es super, eine tolle Erfahrung und eine Mega-Ehre, dass ich mit solchen Künstlern zusammenarbeiten konnte.
Du warst 2013 bei 'Deutschland sucht den Superstar'. Schaust du das noch ab und zu?
Ich hab das vorher nie geschaut. Ich hab es danach nicht geschaut, ich hab sogar meine Staffel nicht geschaut. Ich wollte unbedingt mal so eine Erfahrung machen. Ich war damals 18, aus einem kleinen Dorf. War eine coole Erfahrung. Ich bereue auch nichts. Alles, was ich gemacht habe, führt ja zu dem, wer ich gerade bin.
„„Ich würde gerne wissen, was sich Bohlen wohl dabei denkt, wenn plötzlich die ganzen Songs von einem Typen gesungen werden, wo er gesagt hat: 'Du kannst nicht singen. Mach mal keine Musik weiter'"“
Im vorletzten Auslandsrecall mussten zwei Kandidaten deinen Hit "Feuerwerk" singen.
Ja, es singen da ganz oft Leute meine Songs. Oder auch wenn Leute fertig sind mit dem Singen, kommt danach der Einspieler von "Musik sein" oder "Feuerwerk". Ich würde gerne wissen, was sich Bohlen wohl dabei denkt, wenn plötzlich die ganzen Songs von einem Typen gesungen werden, wo er gesagt hat: 'Du kannst nicht singen. Mach mal keine Musik weiter'.
Das hat er zu dir gesagt?
Am Ende war er so 'Das war Scheiße' und 'Du kannst nicht singen'. Und jetzt wird er immer konfrontiert mit meinen Songs. Super.
Was läuft bei dir gerade in deiner Playlist?
Immer wenn ich sag, ich hör Metal, dann komm ich auf Interviews und die Leute glaube, mir ne Freude zu machen und spielen mir Metallica und Iron Maiden vor. Wo ich mir dann denke, 'Ja, ist auch Metal'. Aber Metal ist mittlerweile ein Riesen-Genre, so breit gefächert. Und ich bin halt bei diesen ganzen neuen Bands da. Falls man irgendwo reinhören möchte - Being As An Ocean zum Beispiel. Oder Architects und Asking Alexandria. Viele meiner Fans wissen, dass ich Metalfan bin und gehen dann auch auf solche Konzerte. Ich bringe manche meiner Follower zu so einer Musik.
Was machst du dann auf diesen Konzerten?
Ich bin dann schon einer, der voll mitmacht. Bei Popkonzerten steh ich eher hinten und schau es mir an, weil ich da sehr analysierend rangehe. Aber bei Metalkonzerten bin ich so - alles vergessen. Ich hau mir drei Bier rein und hab dann einfach Spaß. Im Circlepit bin ich. Und auch Crowdsurfen. Ich bin dann oben auf den Händen. Ich hab das auch mal bei einer Show von mir ausprobiert. Auf den ersten vier Reihen hing ich dann da auf den Leuten und die wussten nicht, was sie jetzt machen sollen. Die sind dann mit mir oben bis nach hinten gegangen. War aber trotzdem lustig.
Du stehst auf schnelle Autos und schnelle Motorräder. Wo sitzt du gerade drauf, wenn du herumfährst?
Von BMW hab ich eine S 1000 RR bekommen, mit der fahr ich auf der Rennstrecke. Von Mercedes hab ich ein S 63 Coupé als Leihgabe. Motorrad fährt 316 km/h, Auto fährt 314 km/h.
Wann gibt's dich in Österreich live zu sehen?
15. November, Gasometer in Wien.