Wien

"Wie im Horrorfilm": Wiener rettet 500 Ukrainer

Seine Familie nahm 20 Flüchtlinge bei sich auf: Jetzt fuhr Alberto (58) erneut in das Kriegsland und koordinierte den Transfer von 500 Ukrainern.

Yvonne Mresch
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Alberto Andreani bei einem Einsatz im Krisengebiet: Alberto (58) war in Ternipol unterwegs und koordinierte den Transfer von 500 Flüchtlingen.
Alberto Andreani bei einem Einsatz im Krisengebiet: Alberto (58) war in Ternipol unterwegs und koordinierte den Transfer von 500 Flüchtlingen.
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Aus drei mach 20: Die 90 Quadratmeter-Wohnung der Familie Andreani wurde seit dem Krieg in der Ukraine zur Zwischen-Unterkunft für 20 Geflüchtete - wir berichteten.

"Ich hoffte, er kommt heil wieder heraus"

Der gebürtige Italiener lebt mit seiner Frau Svetlana, die aus Charkiw stammt, in der Donaustadt. Als der Krieg ausbrach, fackelte der 58-Jährige nicht lange und holte die Familie seiner Frau aus der Ukraine nach Österreich. "Ich hatte Angst um ihn", erinnert sich Svetlana. "Bomben sind gefallen und er musste damals in den Bunker fliehen. Ich war ständig mit ihm in Kontakt und habe gehofft, dass er wieder heil rauskommt." Alberto, ein ehemaliger Polizist, der Extremsituationen durch Einsätze im Kosovo, Kambodscha oder Georgien gewöhnt war, kam gesund wieder zurück. Aber er brachte nicht nur Svetlanas Familie mit, sondern 40 Flüchtlinge. 

"Es ist wie in einem Horrorfilm"

20 davon waren damals bei den Andreanis untergekommen, die Hälfte der Geflüchteten lebt immer noch bei ihnen. Aber damit nicht genug: Alberto wollte weiter helfen und entschloss sich, noch einmal in das Kriegsgebiet zu gehen. Acht Tage verbrachte er in Ternopil und koordinierte dort den Transfer von bis zu 500 Flüchtlingen nach Italien und Österreich. Ein gefährliches Unterfangen: "Als ich ankam, mussten wir schon in den Bunker. Aber am schlimmsten ist die humanitäre Situation. Die Leute schlafen auf den Straßen, es ist wie in einem Horrorfilm." Ob er selbst keine Angst hat? "Natürlich! Ich bin kein Held. Ich bin ein Mensch, der auch Angst hat. Krieg ist furchteinflößend."

"Ich vergesse niemanden. Ich komme wieder zurück"

Bei den Menschen, die der Wiener evakuiert, handelt es sich hauptsächlich um Binnenvertriebene aus Charkiw, Mariupol, Tschenihiw, Sumy, Zhytomyr und Kiew, die nicht die Möglichkeit haben, aus eigener Kraft auszuwandern - ältere Menschen, Menschen mit Behinderungen oder Mütter mit Kindern ohne Verwandte oder Freunde in Europa. Andreani bereitete sich auf die Reise gut vor und stimmte sie mit dem Bürgermeister von Ternopil ab, der auf die Errichtung eines humanitären Korridors hofft, solange dies notwendig ist. Um die besonders schlimmen Fälle auszuwählen und aus dem Krisengebiet zu bringen, arbeitet Andreani außerdem mit Sozialarbeitern zusammen. 

Im Gespräch mit "Heute" berichtet der 58-Jährige von dramatischen Geschichten. Familien, die tagelang ohne Wasser unterwegs waren. Frauen, die mit ihren Kindern und der Situation völlig überfordert sind. Menschen, die aus letzter Kraft versuchen, einen Platz in einem der Busse zu bekommen. "Wenn ich jemanden nicht mitnehmen kann, dann kann ich nur eines sagen: Ich vergesse nicht. Ich komme zurück."

Schlaflose Nächte für Andreanis Frau

Andreanis Ehefrau harrte indes in Wien aus. "Sie können sich nicht vorstellen, wie ich mich fühle", berichtet sie. Ihre Stimme bricht immer wieder ab, sie beginnt zu weinen. "Ich habe Angst, schlafe kaum und denke immer noch, ich bin in einem schlechten Traum. Mein Mann war im Kriegsgebiet, aber ich habe dort auch noch einen Bruder und einen Cousin, die bereits registriert sind. Ich hoffe, sie müssen nicht einrücken." 

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    In Reisebussen werden die Geflüchteten aus dem Land gebracht.
    In Reisebussen werden die Geflüchteten aus dem Land gebracht.
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    "Wenn man helfen kann, sollte man es tun."

    Auch während des zweiten Einsatzes musste Andreani wieder im Bunker ausharren. "Er hat mir erzählt, es hat sich etwas verändert", sagt seine Frau. "Die Leute haben sich an die Bomben gewöhnt. Sie schlafen tief und erschrecken nicht mehr so oft." Ob das gut oder doch eher schockierend ist, weiß die gebürtige Ukrainerin nicht.

    In Österreich, sagt Svetlana, habe sie ein unglaubliches Maß an Unterstützung für ihre Familie und die anderen Geflüchteten erhalten. "Dafür möchte ich mich von Herzen bedanken." Das sei mitunter ein Grund, warum sie ihren Mann und seine Einsätze versteht. "Ich will nicht, dass er geht. Aber wenn man helfen kann, dann sollte man es auch tun. Ich bin meinem Mann so dankbar, dass er das macht." Alberto Andreani ist mittlerweile wieder in Wien angekommen. Er hat eine Familie aus Mariupol mitgebracht. 

    Die Andreanis bemühen sich nun, den Geflüchteten bei ihrer Registrierung und Übersetzung von Dokumenten zu helfen. Auch er betont: "Was in Österreich geleistet wird, ist nicht vergleichbar mit irgendeinem anderen Land. Die Österreicher haben ein großes Herz." Wer helfen möchte, kann sich unter +43 660 959 6751 oder +43 6766832350 melden.

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