Wien
Wiener musste sich zehn Tage von Zuckerpackerl ernähren
Die Abteilung Case Management von Wiener Wohnen greift seit 2017 ein, um Delogierungen zu verhindern. 2022 konnte in 518 Fällen geholfen werden.
Die Sozialberater von Wiener Wohnen helfen Leuten, die ihre Miete nicht zahlen können und kurz vor der Delogierung sind. Bernhard Rubik und Irene Reismüller sind seit 2017 Sozialberater. Sie und ihr Team konnten im Jahr 2022 in 518 Fällen den drohenden Wohnungsverlust abwenden. "Heute" sprach mit ihnen.
Delogierung ist ein Problem, dass alle Menschen betreffen kann
Das Problem, die Miete nicht zahlen zu können, zieht sich quer durch die Schichten, Geschlechter und Altersgruppen, erklärt Irene Reismüller. Und in den letzten Jahren trifft es auch immer mehr in die Mittelschicht, fügt Bernhard Rubik hinzu. Beide beraten seit Jahren Menschen, die kurz vor der Delogierung stehen. Sie haben Listen der Betroffenen, läuten damit an Türen, rufen an. Das wichtigste: Sie stellen keine Fragen, weil sie schon wissen, worum es geht. Das macht es leichter, Kontakt zu den Menschen zu bekommen.
"Es ist nicht en Vogue, sich Hilfe zu holen", so Rubik. Dabei ist es für die meisten Menschen eine große Erleichterung, wenn das Case Management eingreift. Die Sozialarbeiter unterstützen bei Behördenkommunikation, begleiten zu Terminen, organisieren im schlimmsten Fall Notschlafstellen, falls die Delogierung doch kommen sollte. Ihre Hilfe wird gut angenommen. "Wir sind ja auch die letzen Guten", lacht der Sozialberater. "Nach uns kommt der Gerichtsvollzieher, der ist nicht mehr so lustig."
Viele Betroffene von Suizidgedanken geplagt
Nicht immer funktionieren Geschichten so gut. "Ich hatte einmal Kontakt mit einem älteren Mann. Seine letzte warme Mahlzeit war vor 10 Tagen gewesen, dazwischen ernährte er sich von Zuckerpäckchen, die er bei McDonalds stahl. Er war verzweifelt, wusste auch, dass Stehlen nicht okay ist. Aber was sollte er tun?", erzählt Reismüller. "Viele Leute berichten auch von Suizidgedanken, weil sie so verzweifelt sind", fügt Rubik hinzu. Die Sozialberater müssen regelmäßig Krisenintervention betreiben. "Deshalb sind wir oft auch einfach da. Es hilft, wenn die Leute wissen, sie sind mit ihrem Problem nicht alleine", erklärt Rubik.
"Multi-Problem-Lage" für Betroffene
Die Sozialberater arbeiten eng mit anderen Stellen, etwa der MA40, dem Fonds Soziales Wien, dem Roten Kreuz oder dem Wohnschirm zusammen. Sie begleiten Betroffene zwischen vier und acht Wochen, je nachdem wann der Delogierungstermin angesetzt wurde. "Je früher sich Leute melden, desto eher kann man ihnen helfen", erklärt Rubik. Denn meistens handelt es sich um eine "Multi-Problem-Lage", wie der Sozialberater es nennt. Oft können auch Strom, Fernwärme oder die Bank nicht bezahlt werden, die Leute stehen vor einem Haufen Probleme und wissen nicht, wo sie anfangen sollen. "Der erste Schritt ist es oft, mit den Leuten einfach nur ihre Post durchzugehen und zu schauen, was ist gerade wichtig und was kann warten", so Rubik.
Seit 2023 gibt es ergänzend zum Case Management auch die Sozialberatung. Wer sich präventiv Hilfe suchen möchte, damit es gar nicht erst zur Delogierung kommen kann, kann unter 05 75 75 75 einen Termin für eine Sozialberatung ausmachen.
Die wichtigsten Anlaufstellen für Betroffene von Wohnungsverlust:
➤ Sozialberatung Wiener Wohnen: 05 75 75 75
➤ MA40 Wohnungssicherung: 01 4000 8040
➤ Wohnschirm.at