IKG klärt auf
Wiener Jüdin: "Habe Angst, einen Davidstern zu tragen"
In der Kampagne "Die Gläserne Wand" teilen fünf Betroffene Antisemitismus-Erfahrungen in Wien. Seit 7. Oktober ist es schlimmer, sagt Sheri Avraham.
Es sind längst nicht nur Rechtsradikale, die mit antisemitischen Parolen und diskriminierenden Handlungen negativ auffallen und verletzen. Die Meldestelle der Israelischen Kultusgemeinde Wien (IKG) verzeichnete im Vorjahr 1.147 antisemitische Vorfälle alleine in Wien, Tendenz steigend. Nicht alles was passiert, wird auch tatsächlich gemeldet. Die Dunkelziffer ist also weitaus höher. Die spürbare Zunahme anti-jüdischer Demonstrationen und Übergriffe im In- und Ausland macht es deshalb wichtiger denn je, darüber zu sprechen.
Die IKG hat nun die Kampagne "Die Gläserne Wand" gestartet, bei der fünf Betroffene ihre Diskriminierungs-Erfahrungen in Wien teilen. Eine von ihnen ist Sheri Avraham von der IG Bildende Kunst. Sie kam vor 18 Jahren der Liebe wegen nach Österreich und studierte an der Akademie der Bildenden Künste. "Ich habe mich, ehrlich gesagt, nicht sehr willkommen hier gefühlt, sondern entfremdet. Die Menschen haben kaum Englisch gesprochen, dadurch habe ich mich sehr isoliert gefühlt", blickt sie im "Heute"-Gespräche auf den Anfang zurück. Doch "heute liebe ich Wien. Ich kann mir nicht vorstellen, woanders zu leben." Dennoch hat die Künstlerin oft Anfeindungen erlebt, die man auch in ihrer Podcast-Folge nachhören kann.
"Juden haben Geld und eine große Nase"
"Auf der Uni wurde ich höflich ausgegrenzt. Ich wurde nicht gestoßen, geschlagen oder direkt angegriffen. Aber ich wurde immer wieder darin erinnert, dass ich nicht von hier bin. In der Kunstszene werden politische Strukturen, Sexualität und nationale Identität immer in Frage gestellt. Aber als es um meine Identität ging, wurde ich mit allen jüdischen Vorurteilen konfrontiert: Juden kontrollieren die Medien, haben viel Geld, sie haben eine große Nase. Die Kommentare wurden als Witz präsentiert, direkt oder hinter vorgehaltener Hand gemacht."
Für Avraham war besonders dabei schockierend, dass sie auch von Kunststudenten und -lehrenden mit Antisemitismus konfrontiert wurde. Gerade von dieser Szene hatte sie mehr Offenheit erwartet. "Ich und andere jüdische Freunde wurden regelmäßig aufgefordert, Haltung einzunehmen. Sogar bei Abendessen, wo es um nichts ging. Es gab immer eine Person, die erwartete, dass man als israelische Jüdin vor der ganzen Gruppe Stellung bezieht. Sobald ich mich dem entzog, wurde mir Mitschuld vorgeworfen", schildert sie im Podcast betroffen.
"Ich fühle mich nicht mehr sicher"
Seit dem Massaker der Hamas in Israel am 7. Oktober 2023 ist der Hass auf Israel und Juden noch viel deutlicher spürbar, berichtet Avraham traurig. "Seither ist die Situation viel schlimmer geworden. Ich habe Angst, einen Davidstern zu tragen. Ich fühle mich nicht mehr sicher damit." Die Künstlerin trägt stattdessen unauffällige Ohrringe in Form des jüdischen Chai-Symbols für "Leben", das auf den ersten Blick nicht gleich zu erkennen ist.
Mit ihrer Erzählung will Avraham, genau wie Rabbiner Dov, Janet und zwei Protagonistinnen, die lieber anonym bleiben, zeigen, dass Antisemitismus zur bedrückenden Realität geworden ist. "Geschichten bewegen uns, viel mehr als dies reine Fakten können. Diese persönlichen Erzählungen zeigen, wie Antisemitismus im Alltag erlebt wird", so Arno Langmeier, interimistischer Bildungsdirektor. Die crossmediale Serie wird bis Weihnachten in allen Standorten der Büchereien Wien und an 300 Wiener höheren Schulen plakatiert. In der Hauptbücherei am Urban-Loritz-Platz in Neubau gibt es eine Installation mit den Sujets. Auf den Plakaten findet sich ein QR-Code, über den man direkt zu den Erzählungen gelangt.
Die Bilder des Tages
Auf den Punkt gebracht
- Die Israelitische Kultusgemeinde Wien (IKG) hat die Kampagne "Die Gläserne Wand" gestartet, in der fünf Betroffene ihre Erfahrungen mit Antisemitismus in Wien teilen
- Sheri Avraham, eine der Betroffenen, berichtet von zunehmenden Anfeindungen und ihrer Angst, jüdische Symbole öffentlich zu tragen, insbesondere seit dem Massaker der Hamas in Israel am 7 Oktober 2023