Wien

Wiener Arzt: Intensiv-Versorgung bricht gerade zusammen

Die dritte Corona-Welle bringt mehr Kranke denn je in die Wiener Spitäler. Ein Internist warnt nun eindringlich vor dem bevorstehenden Kollaps.

Roman Palman
Teilen
Ein Patient auf einer Corona-Intensivstation. Symbolbild
Ein Patient auf einer Corona-Intensivstation. Symbolbild
ANNE-CHRISTINE POUJOULAT / AFP / picturedesk.com

Mit 165 belegten Betten alleine durch Corona-Patienten hat die Auslastung der Wiener Intensivstationen ein neues Rekordhoch erreicht – alleine in den vergangenen 24 Stunden kamen netto 13 Infizierte hinzu. Nicht einmal am Höhepunkt der zweiten Welle im Herbst war die Situation so dramatisch wie jetzt.

Das AGES-Dashboard weist eine Auslastung der Intensivstationen von knapp 50 Prozent aus. Die Realität in den Spitälern sieht allerdings völlig anders aus, wie ein Wiener Internist auf Twitter schildert:

Ausgelastet

Er berichtet von den dramatischen Erlebnissen während seines Dienstes als Oberarzt von Sonntag auf den heutigen Montag in einem Spital des Wiener Gesundheitsverbundes. Schon zu Dienstantritt habe man ihm mitgeteilt, dass es in der gesamten Bundeshauptstadt nur noch ein einzelnes reguläres Intensivbett für Corona-Infizierte plus einzelne Notbetten ohne entsprechendes Personal – eines davon auf seiner ICU – geben würde. 

Picture
Screenshot Twitter

Kampf um jedes Bett

Bereits jetzt könne nicht mehr allen Patienten die bestmögliche Behandlung geboten werden. Er habe schwerwiegende Entscheidungen fällen müssen: "Der Patient: Komplett selbständig alleine lebend, aber 70 und Vorerkrankungen. D.h. schlechter Verlauf recht wahrscheinlich. Soll ich das Notfallbett opfern und dann 'zu' sein?", erzählt der bekennende Verfechter der Zero-Covid-Strategie. Seine Entscheidung: "Nein, denn sonst habe ich keine Möglichkeit mehr, eine jüngere, nicht vorerkrankte Person auf der ICU zu versorgen." 

Aus Not Lüge

Die Pulmologie habe daraufhin ihr letztes Bett freigemacht, um den Kranken, der eine Sauerstofftherapie mittels Nasenkanüle (HFNC) benötigt, unterzubringen. Im Gespräch mit seinem Patienten, der Angst hatte zu ersticken, habe er diesem noch gesagt: "Wir tun alles für Sie." Auf Twitter gibt er die Wahrheit preis: Das sei ein Lüge gewesen. "Ich habe ihm die ICU verwehrt". Im Telefonat mit der weinenden Tochter gab es dann "obige Lüge auch für sie".

Bei einem anderen Patienten, der ebenfalls zusätzlichen Sauerstoff benötige, seien die Rettungssanitäter bei der Suche nach einem geeigneten Bett beinahe verzweifelt. Der Rettungswagen sei von der Leitstelle mehrfach abgewimmelt worden, weil alle Plätze belegt waren.

Bettenstationen "brettlvoll"

"Jetzt ist der 67-Jährige ohne bekannte Vorerkrankungen also auf unserer Notfall, mit HFNC am Anschlag, alle NIV-Betten belegt, alle unsere ICU-Betten belegt außer das einzige Notfallbett fürs ganze Spital", schreibt er weiter. Aufgrund seiner schwer angeschlagenen Lunge, habe sich der Zustand des Patienten über Nach weiter verschlechtert. "In der Früh Entscheidung, das Notfallbett zu 'opfern'. Verlegung auf die ICU."

Picture
Screenshot Twitter

Fast gleichzeitig habe die Pulmologie um das selbe Bett angefragt, für einen Patienten (57), der noch an der Sauerstoff-Maschine hing, dessen Zustand sich aber rasch verschlimmerte. Die eigene Bettenstation der Abteilung sei bereits "brettlvoll". Die bittere Antwort des Oberarztes: "Sorry, Pulmo, müssts in einem anderen Spital suchen."

Kollaps droht

"Das ist der Bericht aus einem einzigen Spital. An einem Tag, als in Wien netto 13 zusätzliche COV+ ICU-Betten belegt wurden. Nur eines davon bei uns. Ich will mir gar nicht ausmalen, was in einigen anderen Spitälern los war", schließt der Internist seine Erzählung ab. 

"Man kann nicht ruhig zusehen, wie wir nur mehr einen kleinen Schritt von London Dezember 2020 entfernt sind", so der Wiener Mediziner. Seine Warnung ist ebenso eindringlich wie dramatisch: "Während über 'kluge Öffnungen' gesprochen wird und jeden zweiten Samstag Corona-Leugner durch Wien ziehen, bricht die Intensivversorgung gerade zusammen."

1/50
Gehe zur Galerie
    <strong>21.11.2024: Für 4,90 Euro völlig ungenießbares Schulessen serviert</strong>. Die Debatte um Mittagessen und Jause in heimischen Schulen und Kindergärten kocht hoch. <a data-li-document-ref="120073491" href="https://www.heute.at/s/fuer-490-euro-voellig-ungeniessbares-schulessen-serviert-120073491">"Es schmeckt nicht", ärgert sich nicht nur Wienerin Daniela D.</a>
    21.11.2024: Für 4,90 Euro völlig ungenießbares Schulessen serviert. Die Debatte um Mittagessen und Jause in heimischen Schulen und Kindergärten kocht hoch. "Es schmeckt nicht", ärgert sich nicht nur Wienerin Daniela D.
    privat, iStock