Niederösterreich

Waldhäusl-Prozess – Flüchtling hatte "richtig Schiss"

In St. Pölten wurde der Prozess wegen Amtsmissbrauchs gegen FP-Landesrat  Waldhäusl rund um das Flüchtlingsquartier Drasenhofen fortgesetzt.

Heute Redaktion
Prozess gegen Gottfried Waldhäusl
Prozess gegen Gottfried Waldhäusl
Trimmel

In St. Pölten ist am Dienstag der Prozess wegen Amtsmissbrauchs gegen den niederösterreichischen FPÖ-Landesrat Gottfried Waldhäusl und eine frühere Landesbedienstete fortgesetzt worden. Auf dem Programm standen am achten Verhandlungstag am Dienstag weitere Zeugenbefragungen. Die Vorwürfe stehen in Zusammenhang mit der Verlegung von Minderjährigen in das mit Stacheldraht umzäunte Flüchtlingsquartier Drasenhofen (Bezirk Mistelbach) 2018.

Zu Wort kamen auch zwei Flüchtlinge: Ein heute 21-Jähriger, der davor bereits zahlreiche Unterkünfte in Niederösterreich durchlaufen hatte und eigenen Angaben zufolge auch mehrmals straffällig geworden war, wurde Ende 2018 gemeinsam mit anderen Personen nach Drasenhofen überstellt. Beim Anblick des Objekts, dem angebrachten Stacheldrahtzaun und Überwachungskameras habe er "richtig Schiss bekommen und gezittert", gab der afghanische Staatsbürger am Dienstag im Zeugenstand zu Protokoll. Zu seinen Begleitern habe er gesagt, "da sind wir in einem Abschiebecenter".

"Dort war es viel besser"

In der Flüchtlingsunterkunft habe es keine Betreuung gegeben, auch Ansprache habe gefehlt. "Keiner hat uns was gesagt, was wir machen sollen, was mit uns geschehen wird." Das Areal habe er grundsätzlich nicht verlassen können. Nach "drei, vier" Tagen im Bezirk Mistelbach sei der afghanische Staatsbürger in eine Unterkunft nach Mödling gebracht worden. Dort "war es viel besser, wir durften miteinander kochen, normal reden. Wir hatten einfach Freiheit, wir durften machen, was wir wollten". In Drasenhofen sei er hingegen "eingesperrt" gewesen.

Ähnliches schilderte ein weiterer afghanischer Staatsbürger. Der ebenfalls 21-Jährige berichtete laut Dolmetscher von vergitterten Fenstern und schmutzigen Zimmern in dem Quartier. Ein Verlassen der Unterkunft "war uns nicht möglich, man durfte nicht hinaus", betonte der Zeuge. "Das war wie in einem Gefängnis."

Im Gegensatz zu den Ausführungen der beiden 21-Jährigen stand die Aussage einer Frau, die eine Tankstelle in Sehweite der Unterkunft in Drasenhofen betreibt. Sie berichtete von täglichen Besuchen von im Quartier untergebrachten Flüchtlingen im Shop. Nach ihrer Wahrnehmung seien die Jugendlichen nicht einsperrt gewesen. Security-Mitarbeiter und Hunde habe sie ebenfalls nicht gesehen, vielmehr habe sogar eine Aufsicht gefehlt. "Die sind frei umhergegangen, die Burschen."

Auf ihren Besuch in Drasenhofen im damaligen November zurückgeblickt hat am Dienstag eine seinerzeit als Sozialarbeiterin bei der Bezirkshauptmannschaft Mistelbach tätige Frau. Die heute 35-Jährige war durch die Unterkunft geführt worden, mit den Jugendlichen hatte sie dabei nicht gesprochen. Festgestellt wurde eine latente, aber keine akute Kindeswohlgefährdung. "Die Grundbedürfnisse waren gesichert", betonte die Zeugin. Gefehlt habe u.a. ein Konzept für psychologische Betreuung. Angedacht wäre gewesen, einen Sportlehrer und eine Lebensberaterin zu engagieren.

Quartier "nicht supersauber"

In Hinblick auf die Hygiene sei das Quartier "nicht supersauber" gewesen, es habe aber auch keine größeren Beanstandungen gegeben. Der angebrachte Maschendrahtzaun sei durchaus aufgefallen, obwohl sie ihm keine große Aufmerksamkeit geschenkt habe, so die Zeugin. Es gebe jedenfalls keine vergleichbare Einrichtung, "die so aussieht".

Eine 72-Jährige, die eine Tankstelle in Sehweite der Unterkunft in Drasenhofen betreibt, berichtete von täglichen Besuchen der Flüchtlinge im Shop. Nach ihrer Wahrnehmung seien die Jugendlichen nicht einsperrt gewesen. Security-Mitarbeiter und Hunde habe sie ebenfalls nicht gesehen, vielmehr habe sogar eine Aufsicht gefehlt: "Die sind frei umhergegangen, die Burschen."

1/26
Gehe zur Galerie
    Der Landesrat kurz vor dem Prozessbeginn.
    Der Landesrat kurz vor dem Prozessbeginn.
    Lenger

    Am von bürokratischen Details geprägten Beginn des Verhandlungstages wurden zwei Landesbedienstete als Zeugen befragt. Einvernommen wurde ein mittlerweile pensionierter 66-Jähriger, der Ende 2018 laut eigenen Angaben in der Innenrevision tätig war. Auf Geheiß eines Vorgesetzten sei zum Sammeln von Fakten elektronische Einsicht in Unterlagen genommen worden. Fachlich sei alles in Ordnung gewesen, wurde hervorgehoben. Generell sei aber aufs Tempo gedrückt worden: "Mein Empfinden war, dass von politischer Seite ein Wunsch geäußert wurde und dass der möglichst rasch umgesetzt werden sollte." In den Zeugenstand trat auch ein leitender Landesbeamter, dessen Befragung wenig ergiebig war.

    Zumindest 14 Jugendliche verlegt

    Waldhäusl und die frühere Landesbedienstete sollen laut Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft zumindest 14 jugendliche Flüchtlinge durch die Verlegung in das Quartier Drasenhofen in ihrem Recht auf Grundversorgung und Unterbringung in einer geeigneten Unterkunft geschädigt haben. Damit sollen die Minderjährigen der Anklage zufolge einer "ihre Persönlichkeitsentwicklung destabilisierenden Maßnahme unterworfen" worden sein. Der ehemaligen Landesbediensteten wird auch Fälschung eines Beweismittels und Verleumdung vorgeworfen, weil sie im Ermittlungsverfahren eine E-Mail unvollständig vorgelegt und so den Verdacht auf ihren Vorgesetzten gelenkt haben soll. Die beiden Angeklagten haben sich nicht schuldig bekannt.

    Die Schöffenverhandlung wurde mittags für eine Pause bis 13.00 Uhr unterbrochen. Für den Nachmittag waren Befragungen von zwei ehemals in Drasenhofen untergebrachten Personen geplant. Gestartet war der Prozess Anfang Februar. Ein weiterer Termin ist für den 23. September vorgesehen.

    1/11
    Gehe zur Galerie
      Eine Handvoll Demonstranten fand sich vor dem St. Pöltner Gericht ein.
      Eine Handvoll Demonstranten fand sich vor dem St. Pöltner Gericht ein.
      Lenger