Balkan-Blog
Wie mir DJ Ötzi Deutsch sprechen beigebracht hat
Sprache ist essentiell, um sich in einem fremden Land zurecht zu finden. Das musste ich schon sehr früh in meinem Leben feststellen.
Was würdest du deinem Deutschlehrer heute sagen? Kannst du dich überhaupt noch an deinen Lehrer erinnern? Ich kann mich sehr gut erinnern. Vor allem deshalb, weil ihn wohl jede Person in Österreich kennt. Egal, ob klein oder groß. Sein Name: DJ Ötzi. Und ich bekam vor ein paar Wochen die Möglichkeit, mich für seinen "Unterricht" zu bedanken. Aber dazu braucht es ein wenig Erklärung. Fangen wir von vorne an.
Schießen oder werfen?
Wenn man in am Pariser Flughafen Charles de Gaulle landet, merkt man, wie wichtig Sprache sein kann. Denn wenn man kein Wort französisch kann, dann könnte man ordentlich Probleme bekommen, von dort wegzukommen. Gelangt man doch noch irgendwie ins Zentrum der Stadt, wird es aber keineswegs einfacher.
Meistens geht es hierbei aber um Urlaube. Da reichen schon ein paar Wortfetzen, um sich zurecht zu finden. Am Ende will man ja nur die Sehenswürdigkeiten sehen und keine Powerpoint-Präsentation vor Einheimischen halten. Schwierig wird es aber, wenn man genau das vorhat. Weil man muss.
Wie die meisten "Balkan Blog"-Leser bereits wissen, bin ich vor mittlerweile über 20 Jahren nach Österreich gekommen. Damals war ich knapp sechs Jahre alt und konnte kein Wort deutsch. Also wirklich kein einziges. Aufgrund meines Alters hatte ich aber nicht sonderlich viel Zeit die Sprache zu lernen. Es ist nicht von einem Wortschatz die Rede, um zu erfragen, wo denn der Stephansdom oder der Karlsplatz ist. Ich musste in die Schule und dort alles möglichst verstehen. Egal ob es um Mathe, Biologie oder Sport geht. Nichts ist peinlicher, als wenn man eine Anweisung im Turnunterricht nicht versteht und jemanden zum Beispiel einen Ball mit voller Wucht ins Gesicht schießt, obwohl die Anweisung "leicht zuwerfen" war. Passiert.
Der Mann mit der weißen Haube
Wobei ich recht schnell merkte, die Erwachsenen waren gar nicht das Problem. Die hatten noch Gnade mit mir. Ich kam nämlich zunächst in den Kindergarten, um in einem Crash-Kurs deutsch zu lernen. Die Tanten waren da noch recht freundlich zu mir und hatten Geduld. Die Kinder eher weniger. Weil ich ihre Sprache eben nicht verstand, hatten sie auch keine Lust mit mir zu spielen. Da saß man bei der Jause auch schon Mal alleine auf dem Tisch.
Aber ich war motiviert die Sprache zu lernen. Ich brachte sie mir einfach selbst bei. Und zwar mit meinem damaligen Lieblingshobby: dem Fernsehen. Fernsehgeräte kannte ich zwar bereits vom Balkan, doch die Anzahl der Programme in Österreich begeisterte mich. Neben den Kinderprogrammen, liebte ich die Musiksender. Damals spielte es auf MTV tatsächlich noch Musik und keine Reality-Shows. Glücklicherweise war ausgerechnet ein Österreicher zu diesem Zeitpunkt auf dem aufsteigenden Ast: DJ Ötzi! Vom Gefühl her wurden 90 Prozent des damaligen Programms mit "Anton aus Tirol" gefüllt. Gut für mich!
"Ich muss Ihnen etwas sagen, Herr Ötzi"
"Ich bin so schön, ich bin so toll", waren bestimmt nicht meine ersten Wörter, die ich auf deutsch lernte. Aber sie lieferten definitiv eine Basis. Ohne Herrn Ötzi zu nahe treten zu wollen: Der Song war sehr einfach gestrickt. Die Sätzen waren nicht kompliziert. Man konnte sie sich schnell merken. Und sie waren auch grammatikalisch logisch. Es mag heute vielleicht blöd klingen, aber ich verstand dadurch, wie ein deutscher Satz aufgebaut sein muss. Mit diesem "Baukasten" konnte ich arbeiten. Die Phrase "Ich bin so schön" konnte ich nach belieben umändern. Klar brauchte ich dann auch das passende Vokabel. Danach war es aber ein Kinderspiel: "Ich bin so glücklich", "Ich bin so traurig", "Ich bin so müde".
Tatsächlich bekam ich zuletzt die Möglichkeit mit meinem damaligen "Deutschlehrer" zu sprechen. Zum 50er durfte ich DJ Ötzi kurz anrufen für ein Interview. Ich war schon im Vorhinein etwas nervös. Immerhin war das eine Person, der ich schon einiges zu verdanken hatte. Auch wenn sie nichts davon wusste.
Über diesen Blog
Hallo und herzlich willkommen zu "Hajde", dem "Balkan Blog" auf "Heute.at"! Unser Blogger ist zwischen Sarma und Wiener Schnitzeln aufgewachsen. Wie das so ist? Er verrät's euch in seinen Kolumnen. Und zwar immer mit einem Augenzwinkern!
Übrigens: "Hajde" bedeutet auf Deutsch so viel wie "Los geht's!"
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Kurz bevor ich mich dann verabschiedete, fasste ich mir ein Herz. Wer weiß, wann ich wieder die Gelegenheit bekommen würde, mit ihm zu sprechen. Deshalb sagte ich: "Eine Sache noch, ich wollte mich bedanken, dass Sie mir geholfen haben deutsch zu lernen". Natürlich wusste Herr Ötzi nicht um was es geht, weshalb ich ihm die Geschichte kurz und knapp zusammenfasste. Seine Reaktion freute mich umso mehr: "Das ist ja großartig!", meinte er euphorisch: "David, ist das nicht toll? Du konntest die Sprache kein bisschen und jetzt schreibst du für eine Zeitung, kannst dich unterhalten". Und all das wegen dem "Anton aus Tirol". Auch seine Frau, die beim Interview mit lauschte, schien sich über die Geschichte zu freuen und schmunzelte: "Da musst du als Kind aber ein sehr starkes Selbstbewusstsein gehabt haben, wenn das deine ersten Wörter waren". Klar! Immerhin war ich "so schön" und "so toll".