Rechte Social-Media-Strategie
Wie der AfD-Hype auf Tiktok die Jugend beeinflusst
Die AfD hat es wie keine andere Partei im deutschen Bundestag geschafft, junge Wähler über die Tiktok-App zu erreichen.
Lässig tanzt AfD-Chefin Alice Weidel (45) neben ihrer Ehefrau (42) Sarah Bossard mit Sonnenbrille im Auto für ein Tiktok-Video. Das Video der privaten Weidel geht viral, rund 82.000 User "liken" es.
AfD-Politiker geben sich hip
Nicht ganz eindeutig ist einigen, wie konservative AfD-Positionen zu Themen wie Migration oder Familie mit ihrem Privatleben zusammenpassen: Weidel lebt in einer homosexuellen Beziehung mit einer Frau, die Migrationshintergrund hat. Der "Cardance" kam bei Tiktok-Usern jedenfalls gut an.
Und nicht nur Alice Weidel, sondern auch andere AfD-Politiker wirken ordentlich beim Tiktok-Hype mit. Sie erreichen so vor allem jüngere Wähler. Offensichtlich mit Erfolg – bei den Landtagswahlen in Bayern 2023 wählten 16 Prozent der Erstwähler AfD, in Hessen waren es 15 Prozent.
Zielgruppe: jung, männlich, rechts
Rechtsextreme Ideologien erreichen über Social Media zunehmend Kinder und Jugendliche. Für AfD-Politiker sind besonders die jungen Erwachsenen interessant. Wie man die überzeugen kann, weiß zum Beispiel der AfD-Spitzenkandidat für die Europawahl, Maximilian Krah (47).
Der erreichte alleine mit einem Tiktok-Video 1,4 Millionen Aufrufe. Die Message: "Jeder dritte junge Mann hatte noch nie eine Freundin. Du gehörst dazu? Schau keine Pornos, wähle nicht die Grünen, (…) und vor allem, lass dir nicht einreden, dass du lieb, soft, schwach und links zu sein hast. Echte Männer sind rechts."
Der Tiktok-Kanal der Partei zählt derweil etwa 400.000 Follower und mehr als sechs Millionen Likes. Die AfD war im Vergleich zu anderen Parteien schon früh auf der Platform. Sie versteht es, am laufenden Band möglichst polarisierenden Inhalt zu posten.
Verbreitet werden AfD-Inhalte auch über breitere Netzwerke wie zum Beispiel die Accounts der "Jungen Alternativen" oder der "Identitären Bewegung".
Es geht um Emotionen
Im Vergleich zu den anderen Parteien ist die AfD mit ihren Tiktok-Videos weitaus erfolgreicher. Eine Untersuchung des Politikberaters Johannes Hillje ergab, dass die Bundestagsfraktion der AfD zwischen Jänner 2022 und Dezember 2023 rund 430.000 Impressionen pro Video erlangte, während es für die FDP nur 53.000 waren und für die anderen Parteien noch weniger. Impressionen, wie häufig Usern der Inhalt eines Videos angezeigt wird.
Hillje sagte zu zdfheute, die AfD habe "die effektivste Social-Media-Kommunikation unter den Parteien". Die anderen Parteien würden in ihren Social-Media-Beiträgen hingegen nicht genügend Emotionen ansprechen.
Auch auf anderen Social-Media-Platformen sei die AfD erfolgreicher. Einzig auf Instagram hätten die Grünen mehr Abonnenten. In Bezug auf Interaktionsraten liege aber auch dort die AfD vorne.
Der erfolgreichste AfDler auf Tiktok ist der Fraktionschef im Landtag Sachsen-Anhalt, Ulrich Siegmund (33). Siegmund präsentiert sich seinen 370.000 Followern gern volksnah, scherzt herum und verbreitet aufgeheizt seine Unzufriedenheit mit Migranten, den Medien und der deutschen Bundesregierung.
Ungebändigter Algorithmus
Hass und Hetze klicken besser als faktenbasierte nüchterne Politik. Zudem investieren andere Parteien ungern in Tiktok. Die chinesische App bringt vielen Politikern datenschutzrechtliche Bedenken ein, weil sie als verlängerter Arm der autoritären chinesischen Regierung gilt.
Auf Tiktok werden besonders radikale und polarisierende Ansichten vom Algorithmus gefördert, was die App attraktiv für populistischen Content macht. Medienpsychologe Tobias Rothmund sagte dem mdr, es fehle dadurch Raum für politische Zwischentöne.
Um die junge Wählerschaft auf Tiktok für sich zu gewinnen, müssen wohl auch die restlichen Parteien künftig emotionalere Clips liefern.
Die aktuellen Bilder des Tages
Auf den Punkt gebracht
- AfD-Politiker nutzen Tiktok, um jüngere Wähler zu erreichen, indem sie auf Trends wie "Cardance" setzen und emotionale, polarisierende Inhalte posten
- Die effektive Social-Media-Kommunikation der AfD, gemessen an Impressionen und Interaktionsraten, übertrifft andere Parteien, wobei die Äußerungen der Politiker oft Hass und Hetze betonen und politische Zwischentöne vermissen lassen