"Nur Gott allein"

Wer schützt jetzt die Christen vor den Islamisten?

Maalula, gut eine Stunde nördlich von Damaskus, ist eine legendäre Stadt. Hier wird noch die Sprache von Jesus gesprochen.

Wer schützt jetzt die Christen vor den Islamisten?
Die riesige Statue der Jungfrau Maria überblickt die alte christliche Stadt Maalula.
LOUAI BESHARA / AFP / picturedesk.com

"Über die aktuelle Lage will ich nicht sprechen" – das hört die "20 Minuten"-Reporterin in Maalula fast überall. Und das ist ein Stück weit auch nachvollziehbar.

Denn das Städtchen in Syrien, wo im Alltag noch Aramäisch – die Sprache von Jesus – gesprochen wird, befindet sich seit dem Sturz von Baschar al-Assad in einer Zwickmühle: 2013 von den Terroristen des "Islamischen Staates" besetzt und verwüstet, wurde es 2014 vom Regime befreit und beschützt. Nun sind die Beschützer gestürzt und die Islamisten der HTS-Miliz an der Macht.

"Dieselben Leute, die uns vor elf Jahren angegriffen haben, sind diejenigen, die jetzt Syrien regieren", sagt Priester Fadi Barki vom Kloster St. Sergius und St. Bacchus. "Natürlich haben wir entsprechend Angst." Länger kann sich der Gottesmann nicht unterhalten, er muss zu einer Beerdigung in einem Nachbardorf.

In einem Dorfladen winkt der Besitzer zuerst ab, über Politik wolle er nicht sprechen. Einige köstliche Schwarztees später wird Fasih gesprächiger.

"Nicht alles glauben, was über Assad gesagt wird"

Der 50-Jährige schwärmt von der Zeit vor dem Bürgerkrieg, als täglich bis zu zehn Busse voller Touristen aus aller Welt nach Maalula kamen. "Vor 2011 kamen auch noch viele Iraner. Und Assad selbst war oft hier, er besuchte etwa mit dem ehemaligen US-Präsidenten Jimmy Carter oder dem ehemaligen österreichischen Bundespräsidenten Kurt Waldheim unsere Klöster und Kirchen."

Heute reisten nur noch kleine Gruppen an den berühmten Ort (siehe Box), die letzten seien im September aus China und Russland gekommen. "Ich hoffe, dass uns mit der neuen Regierung wieder mehr Touristen besuchen werden."

Sonntagsmesse in Maalula: Unter Christen geht die Angst um.
Sonntagsmesse in Maalula: Unter Christen geht die Angst um.
FADEL ITANI / AFP / picturedesk.com

Nach seiner Meinung zu Assad gefragt, schnalzt Fasih mit der Zunge und schüttelt den Kopf – ob aus Missbilligung über das Regime oder wegen der Frage, bleibt unklar.

Sein älterer Bruder Amin, der auf einen Tee vorbeischaut, mag das alte diktatorische Regime nicht offen kritisieren. Das nun geöffnete Foltergefängnis Sednaja zeige, dass Assad "wohl mental krank" sei, so der 58-Jährige. Dennoch: "Man sollte nicht alles glauben, was jetzt über Assad gesagt wird. Und unter ihm gab es mehr Sicherheit in Syrien."

Bis heute kein Besuch von HTS

Bis heute hätten die neuen Machthaber Maalula nicht besucht, "als einziges Dorf in der Region", sagt Amin. Das sei mehr beunruhigend als beruhigend, ein schlechtes Vorzeichen, findet er. Er wolle einen säkularen Staat, so wie es die meisten religiösen und ethnischen Minderheiten Syriens fordern.

Den Islamisten misstraut er aus leidvoller Erfahrung. "Der IS hat unseren Laden 2013 in Schutt und Asche gelegt, auch weil wir Wein verkauften", sagt Amin (58). "Wir mussten fliehen und nach der Rückkehr alles neu aufbauen. Insgesamt verlor ich über eine Million Dollar. Heiraten konnte von uns vier Brüdern nur noch einer, wir anderen hatten dafür kein Geld mehr."

Bandenterror: "Du bist Christ? Dann bist du reich"

in dritter Mann betritt den Laden. Er sei soeben auf seinem Rückweg von Damaskus fast entführt worden, erzählt er aufgeregt. Männer auf zwei Mopeds hätten ihn auf einer Nebenstraße angehalten und ausgefragt.

"Sie fragten, woher ich komme. Als ich sagte, dass ich von Maalula bin, sagten sie: 'Ach, bist du Christ? Dann bist du also reich!'" Er habe geantwortet, dass er wohl keinen so alten Wagen fahren würde, wenn er reich wäre. "Sie stiegen von ihren Motorrädern ab und ich sah, dass einer eine Pistole bei sich trug. Also gab ich Gas – und sie schossen auf meinen Wagen."

Wie auch Ladenbesitzer Fasih und sein Bruder will der Mann nicht fotografiert werden – besteht aber darauf, dass ein Einschussloch in der Motorhaube seines Autos aufgenommen wird. "Das waren keine guten Leute. Sie waren nicht von der HTS. Aber solche bewaffneten Banden machen unser Leben nicht nur in der Nacht, sondern jetzt auch tagsüber zur Hölle", sagt er. Nein, eine Anzeige werde er nicht aufgeben. Denn: "In der Region gibt es keine Polizei."

Die Frage liegt vor diesem Hintergrund auf der Hand: Wer wird die Christen von Maalula in Zukunft beschützen? Alle drei Männer sind sich einig: "Nur Gott alleine."

Legendäres Maalula
Maalula liegt 50 Kilometer nördlich von Damaskus und ist weit über die Grenzen von Syrien hinaus bekannt. Nicht nur, weil hier eine der ältesten christlichen Gemeinden der Welt lebt und im Alltag noch Aramäisch, die Sprache von Jesus, gesprochen wird. Sondern auch wegen seiner Kirchen und Klöster, die bis auf die Antike zurückgehen.
Zu seinen Heiligtümern gehören das griechisch-orthodoxe Frauenkloster St. Thekla und das griechisch-katholische melkitische St. Sergius-und-Bacchus-Kloster. Hier hatten die Islamisten 2013 Ikonen, Bibeln, Messbücher, Messgewänder, Gebetbücher zerstört. Sie stahlen die wertvollsten sakralen Gegenstände und verscherbelten sie mithilfe westlicher Hintermänner auf dem illegalen Kunstmarkt.
Die spirituelle Bedeutung Maalulas war auch der Grund, wieso die Dschihadisten des Islamischen Staates (IS) die Stadt besetzten und verwüsteten.
Vor dem Bürgerkrieg und vor der IS-Besatzung lebten in Maalula etwa 5.000 Einwohner, heute sind es noch etwa 1.000, die meisten Christen.

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    Auf den Punkt gebracht

    • Der Artikel beschreibt die schwierige Lage der Christen in Maalula, einer Stadt in Syrien, die seit dem Sturz von Baschar al-Assad von Islamisten bedroht wird.
    • Die Bewohner, die noch Aramäisch sprechen, fühlen sich von der neuen Regierung und bewaffneten Banden bedroht und sehen ihre einzige Hoffnung im Schutz durch Gott.
    red, 20 Minuten
    Akt.