Jeder Zehnte kommt nicht

Wer Arzttermin platzen lässt, soll jetzt dafür zahlen

In Wien platzen tausende Arzttermine. Fachärzte fordern: Wer nicht kommt, soll zahlen. Kritiker warnen vor Nachteilen für sozial Schwächere.

Christoph Weichsler
Wer Arzttermin platzen lässt, soll jetzt dafür zahlen
Freie Termine könnten für dringend benötigte Behandlungen genutzt werden, aber stattdessen bleiben die Plätze leer. (Symbolbild)
Getty Images

In Wien herrscht Alarmstimmung! Jährlich gehen tausende dringend benötigte Arzttermine verloren, weil Patienten einfach nicht erscheinen – und das ohne Absage. "Wer nicht kommt, muss zahlen!", fordern jetzt immer mehr Fachärzte. Sie schlagen Alarm, denn das "No-Show-Chaos" bringt das ohnehin stark belastete Gesundheitssystem an seine Grenzen.

Internistin: "Sitzen mit leeren Stühlen da!"

Besonders betroffen sind Wiens Urologen: "Wir verlieren jährlich rund 26.400 Termine, weil Patienten ohne Absage nicht erscheinen", erklärt Dr. Mehmet Özsoy, Facharzt für Urologie und Präsident des Berufsverbands der Urologen. "Das ist eine enorme Belastung für die medizinische Versorgung und führt zu einer Verschwendung von Ressourcen, die wir uns nicht leisten können." Auch in anderen Fachbereichen ist die Lage alarmierend. "Im Durchschnitt haben wir 7 % bis 10 % No-Show-Patienten pro Tag. Diese verlorenen Termine führen dazu, dass andere Patienten länger auf dringend notwendige Untersuchungen warten müssen", kritisiert Dr. Bonni Syeda, Fachärztin für Innere Medizin und Vizepräsidentin des Berufsverbands der Internisten.

Wer nicht kommt, soll zahlen!

Die Fachärzte haben genug und verlangen klare Konsequenzen: "Wer seine Termine nicht rechtzeitig absagt, soll zur Kasse gebeten werden", so Özsoy. "Schon eine Absage am Vortag würde uns helfen, die frei gewordenen Termine mit anderen Patienten zu füllen. Wenn Patienten Geld verlieren, weil sie nicht erscheinen, werden sie das nicht noch einmal tun."

Dieser Vorschlag stößt jedoch auch auf Kritik. Rechtsexperten und Gesundheitspolitiker halten die Forderung nach einer Strafgebühr für problematisch. "Es könnte gerade finanziell schwächere Patienten treffen, die möglicherweise vergessen haben, abzusagen, weil sie selbst in schwierigen Lebenssituationen stecken", warnen einige Experten. Zudem könnte dies den Zugang zu medizinischer Versorgung für bestimmte Bevölkerungsgruppen weiter erschweren.

Gesetzliche Hürden und verfassungsrechtliche Bedenken

Doch die Ärzte fordern nicht nur Konsequenzen fürs Nichterscheinen, sie kritisieren auch die gesetzlichen und kassenrechtlichen Einschränkungen, die es schwierig machen, auf die hohe Nachfrage zu reagieren. "Es gibt schlicht zu wenig Kassenstellen in vielen Fachbereichen", so Syeda. "Viele Ärzte warten seit Jahren auf Genehmigungen, um ihre Praxen zu erweitern oder zusätzliche Ärzte anzustellen." In Wien warten aktuell über ein Dutzend Kassen-Internisten auf die Erlaubnis, eine zusätzliche Fachkraft einzustellen, doch die Antwort der Krankenkassen lautet immer wieder: "Derzeit keine Stellen verfügbar."

Verfassungsrechtliche Bedenken kommen ebenfalls auf, wenn es darum geht, die Fachärzteschaft durch verpflichtende Vorgaben, wie ein Wahlarztverbot oder eine Berufspflicht nach dem Studienabschluss, stärker in die Pflicht zu nehmen. "Diese Vorschläge könnten nicht nur verfassungswidrig sein, sondern auch diskriminierend wirken", argumentieren Rechtsexperten.

Auf den Punkt gebracht

  • In Wien häufen sich geplatzte Arzttermine, was das Gesundheitssystem stark belastet
  • Fachärzte fordern nun, dass Patienten, die ohne Absage nicht erscheinen, zur Kasse gebeten werden, um Ressourcenverschwendung zu vermeiden, doch dieser Vorschlag stößt auf rechtliche und soziale Bedenken
CW
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