Weitet sich der Krieg jetzt auf ganzen Nahen Osten aus?

Nach den massiven Angriffen der Hamas am Samstagmorgen gehen die Gefechte in Israel und den Palästinensergebieten weiter. Über 600 Todesopfer wurden gemeldet. Mit der Überraschungsoffensive der Hamas begann einer der größten Angriffe auf Israel seit Jahren. Im Gespräch mit  "20 Minuten" ordnete nun der Schweizer Nahostexperte Erich Gysling die Gefahr für die Region und die Welt ein.

Welche Folgen hat der Angriff für die israelische Gesellschaft?

"In der Existenz ist Israel nicht gefährdet", sagt Gysling. "Israel ist militärisch so stark, dass es immer gewinnt. Ich glaube jedoch, die Zahl der Opfer wird groß sein."

Der Nahostexperte ist überzeugt, dass die Israelis auch innenpolitisch zusammenhalten. "Die israelische Bevölkerung unterstützt sich in einem solchen Fall, trotz der Differenzen von Gegnern und Befürwortern der Netanjahu-Regierung".

Der frühere Chefredakteur der "Jerusalem Post", Yaakov Katz, spricht von einem "9/11"-Moment für Israel", wie "Bild" berichtet. Die Ereignisse dieser Tage werden "weitreichende Folgen für Israel, die Palästinenser und darüber hinaus haben", ist er überzeugt. Welche das sind, lässt er allerdings offen.

Werden nun andere Länder in den Krieg hineingezogen?

Gysling hält eine mögliche Ausweitung des Konfliktes für möglich: "Die Gefahr ist groß, dass sich der Konflikt insofern ausweitet, dass Israel nicht nur gegen die Hamas im Gazastreifen kämpft, sondern auch gegen die Hisbollah im Libanon."

Israel habe aber die stärkste Armee der Region, weswegen es kaum Unterstützung aus dem Westen brauche: "Natürlich werden die USA als Verbündeter Israel mit Waffen unterstützen, aber mehr braucht Israel nicht."

Kommt es im Nahen Osten zum Flächenbrand?

Die Gefahr eines Flächenbrandes in der Region hält der Nahostexperte aber für sehr gering: "Die meisten arabischen Regierungen haben andere Prioritäten. Sie möchten die Wirtschaft vorantreiben und keine Konflikte."

Wird auch Europa in den Krieg gezogen?

Nein, Europa werde nicht direkt in diesen Krieg verwickelt werden, ist er überzeugt. Allerdings haben viele europäische Staaten, darunter auch Österreich, die Hamas als terroristische Organisation eingestuft, weshalb mit Organisation keine Gespräche geführt werden. Anders sieht das in der Schweiz aus: "Die Schweiz hat die Hamas nicht als Terrororganisation eingestuft und könnte darum den Dialog theoretisch pflegen", so Gysling.