"Keiner bleibt in Wien allein"
Weg zurück ins Leben – So hilft Wien den Obdachlosen
Obdachlosigkeit ist oft ein Schicksalsschlag, kein Lebensentwurf. Markus Hollendohner (FSW) erklärt, wo Wien hilft und was die Herausforderungen sind.
Ein verlorener Job, eine Krankheit oder das Ende einer Beziehung – oft reichen ein paar Schicksalsschläge, und plötzlich bleibt nur noch die Straße. In Wien gibt es zwar ein dichtes Netz an Hilfsangeboten für obdachlose Menschen, doch das Problem bleibt eine Herausforderung. "Es gibt keine einfache Lösung, aber wir tun alles, damit niemand in Wien auf der Straße schlafen muss", sagt Markus Hollendohner, Leiter der Wohnungslosenhilfe im Fonds Soziales Wien (FSW).
Hilfe, die sofort ankommt
Besonders in der kalten Jahreszeit wird die Not vieler Obdachloser sichtbar. Mit der Kälte-App oder der Kälte-Telefon können Passanten direkt Hilfe rufen, wenn sie jemanden frieren sehen. Sozialarbeiter kommen dann mit Schlafsäcken, warmer Kleidung oder informieren die Betroffenen über die nächstgelegenen Notschlafstellen. Im optimalen Fall werden sie dorthin gebracht.
Kältetelefon der Caritas: Unter der Nummer 01 480 45 53 können Hinweise zu obdachlosen Menschen gegeben werden, die bei kalten Temperaturen im Freien schlafen.
Kälte-App des FSW: Eine digitale Möglichkeit, um schnell und unkompliziert Hilfe für obdachlose Menschen zu organisieren.
Nachdem Obdachlose in Notquartieren untergebracht waren, werden sie, wenn möglich und von ihnen erwünscht, in Chancenhäusern untergebracht. "In den Chancenhäusern geht es nicht nur um ein Bett oder eine warme Mahlzeit", erklärt Markus Hollendohner, Leiter der Wohnungslosenhilfe im Fonds Soziales Wien (FSW). "Schon ab dem ersten Tag arbeiten wir daran, mit den Menschen gemeinsam eine Perspektive zu entwickeln." Die neuesten Häuser, etwa das Chancenhaus Rossauer Lände und das Nachtzentrum Sautergasse, bieten 120 weitere Plätze. Insgesamt stehen in den Chancenhäusern des FSW rund 680 Plätze zur Verfügung.
Die Wiener Wohnungslosenhilfe stellt darüber hinaus ganzjährig 4.683 Wohn- und Schlafplätze sowie 2.299 Betreuungseinheiten bereit, mit denen durchschnittlich 6.520 Kund:innen gleichzeitig betreut werden können. Diese breite Unterstützung ist ein zentraler Bestandteil des sozialen Netzwerks in Wien.
Housing First: Ein Neustart für viele
Eine der wichtigsten Maßnahmen bleibt "Housing First". Das Konzept sieht vor, obdachlose Menschen direkt in eine eigene Wohnung zu bringen. "Wir helfen ihnen, diese zu halten und wieder Stabilität in ihr Leben zu bringen", erklärt Hollendohner. 2023 konnten so über 4.800 Menschen unterstützt werden.
"Es geht nicht nur um ein Dach über dem Kopf – es gibt den Menschen ihre Würde und Hoffnung zurück", so Hollendohner. Das Konzept gilt international als Vorzeigemodell und wird in Wien bereits seit Jahren stark vorangetrieben.
Prävention als Schlüssel
Neben der akuten Hilfe setzt der FSW stark auf Prävention. In Zusammenarbeit mit Wiener Wohnen wird versucht, Menschen vor dem Verlust ihrer Wohnung zu bewahren. "Das funktioniert aber nur auf freiwilliger Basis. Wir können niemanden zwingen, Hilfe anzunehmen. Oft geht es darum, Bewusstsein zu schaffen und frühzeitig zu handeln", erklärt Hollendohner.
Josi – Zentrum im Grätzel
Ein weiteres Vorzeigeprojekt der Wohnungslosenhilfe sind die Tageszentren, wie das "Josi" an der U6-Station Josefstädter Straße. Hier werden obdachlose Menschen betreut, gleichzeitig aber auch das Umfeld entlastet. "Unsere Sozialarbeit findet im gesamten Grätzel statt, um Probleme zu minimieren und die Lebensqualität für alle zu erhöhen", so Hollendohner.
Am "Josi" wird auch deutlich, wie wichtig Deeskalation ist. " Die Mitarbeiter tragen seit kurzem Dienstbekleidung, damit sie von allen wahrgenommen werden und ein Gefühl von Sicherheit vermitteln", erklärt Hollendohner. Mit den 2018 neu errichteten Sichtschutzwänden können sich die Betreuten zudem besser zurückziehen und zwischen den Gesprächen Luft schnappen.
"Das kann niemand allein stemmen"
Die Statistik zeigt, dass die Obdachlosigkeit in Wien nicht gestiegen ist, doch die bestehenden Angebote werden intensiv genutzt. Laut einer internen Erhebung stammen rund zwei Drittel der Obdachlosen aus Osteuropa. "Diese Menschen bleiben oft nur ein bis zwei Tage an einem Ort, bevor sie weiterziehen. Das zeigt, dass Obdachlosigkeit oft situativ ist", erklärt Hollendohner.
Trotz der guten Arbeit des FSW bleibt die Obdachlosenhilfe in Wien eine Herausforderung. Hollendohner sieht dabei auch die Grenzen der Stadt. "Das Thema ist größer als Wien. Es ist ein EU-Thema, und die Stadt kann es nicht alleine lösen."
Hygienetaschen für Obdachlose
Derzeit im Fokus der Userinnen und User von Heute.at im Ressort "Österreich" ist die aktuell meistgelesene Story "". Ist dir etwas aufgefallen oder hast du einen Input für uns, dann schreib uns ein Mail.
Auf den Punkt gebracht
- Der Artikel beschreibt die umfassenden Maßnahmen, die Wien zur Unterstützung obdachloser Menschen ergreift, darunter die Bereitstellung von Notunterkünften, die Nutzung der Kälte-App und das Konzept "Housing First", das obdachlosen Menschen hilft, wieder in eigene Wohnungen zu ziehen.
- Trotz der intensiven Nutzung der Angebote und der erfolgreichen Präventionsarbeit bleibt die Obdachlosenhilfe eine große Herausforderung, die laut Markus Hollendohner, Leiter der Wohnungslosenhilfe im Fonds Soziales Wien (FSW), auch auf europäischer Ebene mehr Solidarität und Unterstützung erfordert.