Spieletests
"Watch Dogs Legion" im Test: Jeder kann ein Held sein
Ubisoft schickt die Hacker-Gruppe DedSec in ein London, das vor die Hunde geht. "Heute" hat "Watch Dogs Legion getestet.
Passanten auf den Straßen von Open-World-Games sind ja eigentlich bemitleidenswerte Geschöpfe. Sie werden – einen rücksichtslosen Fahrstil vorausgesetzt – oft auf dem Weg zur nächsten Mission über den Haufen gefahren, geraten in Feuergefechte oder werden von Panzern erschlagen, die dank Cheat-Code vom Himmel fallen. Etwas mehr Empathie mit den NPCs hat "Watch Dogs Legion" von Ubisoft. Im Hacker-Abenteuer kann wirklich jede Figur zum Helden der Geschichte werden.
Ubi-Formel
Gleich vorweg: "Watch Dogs Legion" beschreitet zwar einige neue Wege, bleibt im Kern aber ein "normales" Open-World-Spiel von Ubisoft, wenn auch ein schön gestaltetes. Diesmal geht die Reise nach London in naher Zukunft – und in Zeiten von Corona ist die Stimmung manchmal nicht leicht zu ertragen. Über der Stadt hängt eine düstere Stimmung. Die fiese Militärorganisation Albion hat die Kontrolle über den Sicherheitsapparat übernommen, an jeder Ecke fühlt man sich an die Serie "Black Mirror" erinnert. Die Hackertruppe DedSec musste, nachdem ihr Terroranschläge in die Schuhe geschoben wurden, in den Untergrund abtauchen.
Doch der Widerstand gegen die großflächige Überwachung der Bevölkerung ist aufrecht. Diesmal aber nicht verkörpert durch eine Person, die man das ganze Spiel hindurch steuert, sondern das Hacker-Kollektiv und die allesamt spielbaren Bürger Londons. Theoretisch kann jeder Passant angeworben werden, um gemeinsam mit DedSec gegen Albion vorzugehen. Das kann eine alte Pensionistin sein, die außerordentlich gut schießen kann, ein Bauarbeiter mit Megafon, oder sogar Albion-Sicherheitsleute, denen man die Augen öffnet. Ein besonderes Highlight sind Geheimagenten, die einige ganz spezielle Fähigkeiten haben, darunter ein Auto mit Raketenwerfern, die aber erst freigespielt werden müssen.
Diversität
Natürlich sind die Charaktere in "Watch Dogs Legion" nicht alle einzigartig, sondern werden aus einem Pool möglicher Looks, Fähigkeiten und Stimmen generiert. Bei einem Spieldurchgang, der mit ein paar Nebentätigkeiten gut 40 Stunden dauern kann, wird man vermutlich auf diverse Ähnlichkeiten stoßen. Das stört aber kaum die Illusion, vor allem weil die Figuren auch in allen Zwischensequenzen auftauchen und nicht wie "Beiwerk" anmuten. Die Schattenseite des Systems: Man hat wirklich nur die paar Fähigkeiten des aktuellen Charakters zur Verfügung. Immerhin gibt es Upgrades, die sich auf alle Figuren aus der Hacker-Armee übertragen.
Die Story-Missionen spielen sich leider meistens etwas zu ähnlich. In der ganzen Stadt sind allerlei Polizeistation, Albion-Stützpunkte und andere Örtlichkeiten verstreut, die man infiltrieren muss, um etwas zu hacken oder an benötigte Informationen zu gelangen. Das Schema "reinschleichen, Knopf drücken, entkommen" ist etwas repetitiv, immerhin spielen sich die Missionen je nach Charakter etwas unterschiedlich.
Hacken, hacken, hacken
Eine wahre Freude sind die Hacker-Fähigkeiten. Man kann mittels einfacher Kommandos via Smartphone Drohnen kapern, Autos mitten im Straßenverkehr stoppen oder sogar losfahren lassen, Poller hoch- und runterfahren oder die Handys anderer Figuren im Spiel zur Ablenkung klingeln lassen. Die diversen Möglichkeiten erlauben oftmals unterschiedliche Herangehensweisen und ermuntern den Spieler, abseits des (ohnehin nicht besonders responsiven) Geballers andere Wege zu finden, das Ziel zu erreichen.
Wenn man sich in London auskennt, braucht man teilweise aber nicht einmal die Karte der Spielwelt, denn die Entwickler haben es tatsächlich geschafft, eine (reduzierte) digitale Version von London zu erstellen, in der Big Ben, Tower Bridge, London Eye und Co. so realitätsnah wie möglich abgebildet werden. Es ist nicht die schönste und technisch eindrucksvollste Spielwelt der Gaming-Geschichte, aber London wurde beinahe perfekt getroffen.
Fazit
Die schlechte Nachricht zuerst: Ubisoft kann (oder will) sich noch immer nicht von der etablierten Open-World-Formel lösen. Allerdings wagen die Entwickler in "Watch Dogs Legion" ein Experiment, das dem Spiel dennoch etwas Einzigartiges verleiht: die spielbare Armee an Bürgern, die zu Aktivisten werden. Noch dazu macht das Hacken nach wie vor enormen Spaß, London-Fans kommen sowieso auf ihre Kosten.
"Watch Dogs Legion" erscheint am 29. Oktober für PS4, Xbox One und PC. Upgrades für PS5 und Xbox Series X erscheinen mit den Konsolen-Launches.