Gefühlt jede Woche macht ein neues Reformer-Pilates-Studio in Wien auf – die Ästhetik: meist sehr clean, durchgestylt und in soften Naturtönen, als hätte jemand skandinavisches Möbeldesign mit einer Duftkerzen-Kollektion fusioniert. Die Namen der Studios klingen wie Wellnessoasen – irgendwo zwischen Achtsamkeit und Entspannung.
Darin vorzufinden: Reformer – diese länglichen Gestelle mit Gurtzügen und beweglichen Plattformen, die auf den ersten Blick an Massageliegen erinnern. Oder, je nach Fantasie, eher an Gerätschaften aus einer anderen Szene. Doch diese Geräte haben es in sich: Wer glaubt, man legt sich hier sanft atmend für ein bisschen Dehnung darauf, der irrt gewaltig.
Was einen dort erwartet, ist nämlich alles andere als soft: Zittrige Beine, brennende Oberschenkel und ein Workout, das sich in die tiefsten Schichten deiner Muskulatur gräbt – dorthin, wo du nicht einmal wusstest, dass du überhaupt Muskeln hast.
Und trotzdem: Männer sieht man dort eher selten. Warum eigentlich?
Das Lustige: Der Mann hinter Pilates selbst war ... nun ja, ein Mann: Joseph Hubertus Pilates. Ein deutscher Auswanderer, der im Ersten Weltkrieg interniert wurde und deshalb sein Körpertraining entwickelte sowie seinen Mitgefangenen zeigte, wie sie mit selbst gebauten Geräten aus Krankenhausbetten turnen konnten. Reformer-Pilates war damals alles andere als eine Trendsportart, sondern eher ein Reha-Programm für verletzte Soldaten. Aus dem Notbedarf mit Federn und Gurten entwickelte sich das, was wir heute als Reformer kennen.
Joseph Pilates selbst war eine Mischung aus Bodybuilder, Boxer und Yoga-Fan. Sein Ziel war es, einen "gleichmäßig entwickelten Körper" zu erschaffen – stark, beweglich und widerstandsfähig.
Wenn du also Lust hast, dich selbst einmal am Reformer auszuprobieren, darf ich eines verraten: Hier geht es nicht um Schnelligkeit. Die Bewegungen sind kontrolliert – langsam und präzise, sodass auch jeder kleinste Muskel beansprucht wird. Der Fokus liegt auf den tieferliegenden Musekelgruppen, die wir beim "normalen" Training oft vernachlässigen. Doch genau die sind es, die dich in anderen Workouts stabilisieren und dich vor Rückenschmerzen oder Fehlhaltungen schützen.
Das Coole am Reformer-Workout: Du trainierst dabei durchgehend die Körpermitte, stabilisierst die Gelenke, förderst gleichzeitig deine Beweglichkeit und baust nebenbei auch noch Kraft auf.
Nach 50 Minuten hast du nicht nur deinem Körper, sondern auch deinem Geist etwas Gutes getan. Denn ein weiterer Vorteil des Trainings: Währenddessen denkst du an nichts – also eine Portion Meditation gibt's gleich mit dazu.
Doch warum sieht man wirklich so wenige Männer in einer Reformer-Class? Vielleicht liegt es am Image. Vielleicht an der Angst vor dem Ungewohnten. Oder vielleicht ist es manchen unangenehm, wenn man neben einer scheinbar zarten Frau auf dem Reformer zittert, während sie souverän durchzieht.
Doch genau hier liegt der Denkfehler: Stärke zeigt sich nicht im Gewicht oder Geschlecht – sondern im Körpergefühl, in der Kontrolle und der Fähigkeit, an sich selbst zu arbeiten.
Nicht immer hat man Lust oder Energie für ein Workout, und das ist völlig normal – ich denke zum Beispiel in diesem Fall einfach daran, wie ich mich danach fühlen werde. Und dieses Feeling möchte ich immer wieder und wieder haben.
Deshalb liebe ich Reformer-Pilates – nicht, weil es so ästhetisch ist, sondern weil es in die Tiefe geht – körperlich sowie mental. Es fordert mich, ohne mich zu überfordern. Und am Ende fühle ich mich ein wenig klarer, mehr bei mir. Einfach ein gutes Training, das mehr kann, als man auf den ersten Blick denkt.