Ukraine

Warum Kriegsgegner nur noch mit Emojis kommunizieren

Fast 14.000 Russen wurden wegen Demo-Aufrufen gegen den Ukraine-Krieg verhaftet. Viele nutzen verschlüsselte Nachrichten, um Proteste zu organisieren.

Heute Redaktion
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In Russland haben Regimekritiker gerade nichts zu lachen. Bei Solidarität mit der Ukraine drohen bis zu 15 Jahre Haft. (Archivbild)
In Russland haben Regimekritiker gerade nichts zu lachen. Bei Solidarität mit der Ukraine drohen bis zu 15 Jahre Haft. (Archivbild)
Peter Kovalev / Tass / picturedesk.com

Das Entsetzen über den Krieg des eigenen Landes gegen die Ukraine treibt in Russland viele Menschen zu Protesten auf die Straße. Nachdem am 24. Februar die Invasion in der Ukraine begonnen hatte, verbreitete sich außerdem ein Bild in den sozialen Medien: Es zeigt das Profil des russischen Dichters Alexander Puschkin, die Zahl sieben und eine Reihe von Emojis mit einem laufenden Mann. Für die Eingeweihten ist die Bedeutung klar: Es ist ein Aufruf zu einem Protest gegen die Maßnahmen der Regierung. Treffpunkt: um sieben Uhr beim Puschkin-Platz in Moskau.

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Die kodierte Sprache ist für Menschen in Russland nötig, um ohne Angst vor Repressalien seitens der Regierung kommunizieren zu können. Mithilfe der Emojis organisiert die Opposition Sitzstreiks und Demos gegen Wladimir Putin. Die digitale Lösung lässt Informationen übermitteln und die neuen Restriktionen des Kremls umgehen – denn die Duma hat kürzlich ein Gesetz verabschiedet, das bis zu 15 Jahre Gefängnis für jeden vorsieht, der die Ukraine unterstützt, den Einmarsch der russischen Armee kritisiert oder auch nur das Wort "Krieg" benutzt.

Screenshots aller verdächtigen Posts

Nicht von der Polizei genehmigte Demonstrationen in Russland sind seit 2014 verboten. Wer dann festgenommen wird, dem drohen zunächst 15 Tage Haft, bei der zweiten Festnahme erhöht sich die Strafe auf bis zu fünf Jahre Gefängnis. Seitdem ist es üblich, dass Aktivisten verschiedene kodierte Sätze in den sozialen Medien verwenden, um sich zu organisieren.

"Lass uns zum Zentrum spazieren gehen" oder "Das Wetter ist toll für einen Spaziergang", schreibt Maria ihren Freunden und Freundinnen, um sie wissen zu lassen, dass sie an einer Kundgebung teilnehmen will. Damit würde sie die staatliche Zensur umgehen, erzählt sie der BBC. Ihren echten Namen will die Russin dem britischen Journalisten nicht nennen.

Doch inzwischen sind solche expliziten Aufrufe zu Protesten nicht mehr sicher. Eine Frau hatte am 24. Februar auf Twitter "Ich bin schon lange nicht mehr im Zentrum spazieren gegangen" geschrieben – fünf Tage später wurde sie verhaftet, als sie einen Zug nahm. Sie vermutet, dass sie von einer Gesichtserkennungssoftware in der Moskauer Metro erkannt wurde. Bei ihrer Gerichtsverhandlung legten die Behörden ihren Tweet vor – offenbar hatten sie einen Screenshot davon gemacht, unmittelbar nachdem sie den Aufruf gemacht hatte.

Menschen schließen aus Angst Social-Media-Accounts

In Russland ist es dieser Tage zu einer echten Herausforderung geworden, Informationen abseits der staatlichen Kanäle zu erhalten. Facebook wurde blockiert, TikTok abgeschaltet und viele Menschen zensieren sich selbst, um die Vergeltungsmaßnahmen der Behörden zu vermeiden.

Leonid Drabkin, Koordinator der Menschenrechtsorganisation OVD, gibt gegenüber BBC an, dass auf Instagram zum Beispiel die Aktivität der Nutzerinnen und Nutzer erheblich zurückgegangen ist. Viele hätten sich dazu entschieden, – oft widerwillig – ihre Social-Media-Accounts zu löschen oder zumindest Pseudonyme zu benutzen.

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    66 Tonnen an Spenden wurden in die Ukraine gebracht. 
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