Kuriose Forschungsergebnisse
Warum die Pflanzen unserer Wälder nach Westen wandern
Gräser, Farne und Kräuter in Laubwäldern Europas ziehen eher Richtung Westen als – vom Klimawandel begünstigt – Richtung Norden. Wie kommt es dazu?
Eigentlich sollten im Zuge der Erderhitzung die Bedingungen für viele Arten tendenziell günstiger werden, weiter in Richtung Norden vorzustoßen, schreibt das Forschungsteam der Universität Gent in Belgien in der Studie, die im Fachjournal "Science" veröffentlicht wurde.
Daten von 3.000 Laubwäldern ausgewertet
Das Team, dem auch Thomas Dirnböck vom Umweltbundesamt angehörte, sammelte und durchforstete Daten aus 3.000 europäischen Laubwäldern, um herauszufinden, was sich in diesen Ökosystemen in den vergangenen Jahrzehnten abgespielt hat.
Überraschende Ergebnisse
Verblüffendes Ergebnis der groß angelegten Studie: Die "Wanderbewegung" der Waldgräser und Farnpflanzen liegt primär am massiven Einsatz von Düngemitteln – vor allem im Westen des europäischen Kontinents.
Verschiebungen nach Westen
Infos über die Verbreitung von Gräsern, Farnen, Blumen oder Kräutern in Laubwäldern Europas verschnitt die Gruppe mit Daten zum Klimawandel. "Überraschenderweise waren Verschiebungen des Auftretens von Pflanzen Richtung Westen 2,6-fach wahrscheinlicher als Richtung Norden", heißt es in der Publikation.
"Kolonialisierung" durch neue Angebote
Diese Entwicklung lässt sich am besten dadurch erklären, dass diese "Kolonialisierung" durch mehr verfügbaren Stickstoff ausgelöst wurden. Der Treiber dahinter ist also nicht primär der Klimawandel, sondern die übermäßige Düngung in der Landwirtschaft bis in die 1980er-Jahre.
Neben dem Stickstoffeintrag aus der landwirtschaftlichen Produktion spielt hier freilich auch der Verkehr, die Energieerzeugung und die Industrie eine Rolle, sagen die Wissenschaftler.
„Verschiebungen von Pflanzen Richtung Westen sind 2,6-fach wahrscheinlicher als Richtung Norden.“
"Stickstoff-liebende" Pflanzenarten
Besonders viel gedüngt wird in Ländern mit intensiver Viehwirtschaft, wie in den Niederlanden, Belgien, Dänemark und in Norddeutschland. Dort wurde vom Ende des Zweiten Weltkrieges bis Mitte der 1980er-Jahre viel Stickstoff ausgebracht wurde, der auch in die Wälder gelangt.
Das führte vermehrt in Westeuropa zu Voraussetzungen, die Pflanzenarten bevorzugen, die "Stickstoff-liebend" sind, wie es das Forschungsteam ausdrückt.
Alte Arten müssen Neuankömmlingen weichen
Das bringt wiederum andere Arten unter Druck, die den Neuankömmlingen weichen müssen, was eine Verringerung der Artenvielfalt zur Folge hat, heißt es seitens des Umweltbundesamtes.
Ammoniak-Verordnung seit 2023 in Kraft
Obwohl in den vergangenen Jahrzehnten der Stickstoff-Eintrag durch die Reduktion der Emissionen beim Verkehr etwas eingebremst wurde, geht auch in Österreich der bedenkliche Gesamttrend weiter. Das soll die neue Ammoniakreduktionsverordnung seit 2023 ändern.
Auf den Punkt gebracht
- Ein internationales Forschungsteam hat herausgefunden, dass Pflanzen in europäischen Laubwäldern eher nach Westen als nach Norden wandern
- Die Wanderbewegung ist hauptsächlich auf den massiven Einsatz von Düngemitteln im Westen des Kontinents zurückzuführen
- Diese "Kolonialisierung" durch Stickstoff führt dazu, dass stickstoffliebende Pflanzenarten alte Arten verdrängen, was die Artenvielfalt verringert