Polit-Experte verrät

Wann wir uns "auf Dreierkoalition einstellen müssen"

Neun Parteien werden bei der Nationalratswahl im Herbst österreichweit am Stimmzettel stehen. Ein Politikwissenschaftler schätzt ihre Chancen ein.

Newsdesk Heute
Wann wir uns "auf Dreierkoalition einstellen müssen"
Politikwissenschaftler Laurenz Ennser-Jedenastik am späten Freitagabend in der ORF-"ZIB2".
Screenshot ORF

Neun Parteien treten österreichweit bei der Nationalratswahl am 29. September an. Nach Ablauf der Frist für die Wahlvorschläge am Freitag um 17 Uhr steht fest, dass im Herbst neben den fünf Parlamentsparteien ÖVP, SPÖ, FPÖ, Grüne und NEOS auch KPÖ, Bierpartei, Liste Petrovic und die Partei "Wandel" (als "KEINE") am Stimmzettel stehen werden. Gescheitert ist trotz bundesweiter Ambitionen die Corona-kritische MFG, die jedoch in sieben von neun Bundesländern (außer Kärnten und dem Burgenland) auf Landesebene antreten wird.

Steigen die Chancen für die neuen und kleinen Parteien, in den Nationalrat einzuziehen? "Das ist gut möglich", so Politikwissenschaftler Laurenz Ennser-Jedenastik am späten Freitagabend in der "ZIB2" bei Moderator Armin Wolf. "Wir sehen schon länger, dass sich traditionelle Parteibindungen auflösen", so der Experte, das sei "ein Trend, der sich die letzten Jahre verstärkt" habe. Spannend wurde es, als Ennser-Jedenastik die Chancen auf einen Einzug der einzelnen Parteien abschätzte.

Für Bierpartei und KPÖ sieht es wohl gut aus

Gute Chancen habe demnach die Bierpartei. Von der Bundespräsidenten-Wahl wisse man, dass Bierpartei-Chef Dominik Wlazny große Sympathien habe und "wenig polarisiert", so der Experte. Die Frage sei aber, ob die Bierpartei auch mit den politischen Inhalten die wenigen Wochen bis zur Wahl überzeugen könne, nicht nur mit ihrem Spitzenkandidaten. Leichter habe  es Wlazny aber generell auch, weil er ein frischer Kandidat und kein etablierter Politiker sei.

Die KPÖ habe ebenso eine Chance auf den Einzug ins Parlament, denn sie würde sich nicht direkt mit einer linken Partei messen müssen und auch ein Programm anbieten, das man so in Österreich anders als international nicht bei anderen Linksaußen-Parteien finden würde, so Ennser-Jedenastik. Weniger gut sehe es dagegen für die neue Liste der ehemaligen Grünen Madeleine Petrovic aus, so der Politikwissenschaftler.

"Begrenztes Potenzial", dass Namens-Schmäh aufgeht

Corona-Kritiker und Impf-Gegner habe bereits die FPÖ abgeholt, da würden nur jene Wähler übrig bleiben, die mit anderen FPÖ-Standpunkten nicht könnten und mit der MFG geliebäugelt hätten. Zeigen werde sich, ob die Liste auch noch andere Inhalte vertrete, so der Experte. Dass wiederum der Trick der Partei "Wandel", als "KEINE" am Stimmzettel zu stehen, aufgehe, bezweifelte der Politikwissenschaftler, da sehe er "begrenztes Potenzial".

Spannend sei aber auch, was das insgesamt für die politische Landschaft in Österreich bedeute, so der Experte. So würden KPÖ und Bierpartei vermutlich Stimmen vor allem von den Grünen, der SPÖ und teilweise den NEOS abziehen, also Parteien links der Mitte bei der Wahl schaden, andererseits aber, wenn sie in den Nationalrat einziehen sollten, dort die Parteien links der Mitte zahlenmäßig stärken.

Türkis-Rot, "wenn's ganz extrem wird"

Und was gehe sich nun aus heutiger Sicht an Regierungsvarianten aus? ÖVP-FPÖ gehe sich ganz klar aus, wenn die neuen Parteien am Einzug scheitern würden, so der Experte, "wenn's ganz extrem wird, geht sich vielleicht auch eine türkis-rote Mehrheit aus". Generell gelte: Je mehr Parteien den Einzug in den Nationalrat schaffen, umso schwieriger würden die Koalitionsverhandlungen, denn eine Zweierkoalition ginge sich dann immer weniger aus. Mit acht Parteien müsste man sich wohl "auf eine Dreierkoalition einstellen müssen".

Die am 29. September bevorstehende Nationalratswahl bricht schon jetzt einen Rekord – nämlich bei der Zahl der Nicht-Wahlberechtigten. Und zwar stehen laut vorläufigen Daten des Innenministeriums den rund 6,3 Millionen Wahlberechtigten fast 1,5 Millionen in Österreich lebende Personen gegenüber, die mangels Staatsbürgerschaft nicht wählen dürfen. Das entspricht 19 % der Bevölkerung ab 16 Jahren. Und heißt: Fast jeder Fünfte hierzulande im wahlberechtigten Alter darf seine Stimme im Herbst nicht abgeben.

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    SPAR/ Peakmedia Dominik Zwerger

    Zahl der wahlberechtigten Einwohner sinkt

    Die Hälfte der Nicht-Wahlberechtigten hierzulande – rund 760.000 – sind Staatsbürger aus anderen EU-Ländern. Die Zahl der Nichtwahlberechtigten in Österreich steigt aufgrund der hohen Zuwanderung seit vielen Jahren und erreicht heuer erneut einen Höchstwert. Im Jahr 2002 lag der Anteil der Nichtwahlberechtigten an der Gesamtbevölkerung im Wahlalter (damals 18 Jahre) nach einer Auswertung der APA aus Daten der Statistik Austria noch bei 9 % – heute sind es, wie gesagt, stolze 19 %.

    Die Zahl der wahlberechtigten Einwohner ist hingegen sogar gesunken. Laut Innenministerium sind 6.343.976 Menschen bei der Nationalratswahl 2024 zur Stimmabgabe berechtigt. Die Zahl ist um 52.836 bzw. 0,83 % geringer als bei der letzten Nationalratswahl im Jahr 2019 (6.396.812 Wahlberechtigte). Am stärksten ist der Rückgang der Wahlberechtigten mit knapp 2 % in Wien – wo es auch die höchste Zuwanderung gibt.

    Auf den Punkt gebracht

    • Ein Politikwissenschaftler schätzt die Chancen der neun Parteien, die bei der Nationalratswahl in Österreich antreten, ein
    • Er glaubt, dass traditionelle Parteibindungen sich auflösen und neue und kleine Parteien gute Chancen haben, in den Nationalrat einzuziehen
    • Die steigende Anzahl an Parteien erschwert jedoch die Koalitionsverhandlungen, und es könnte auf eine Dreierkoalition hinauslaufen
    • Die Zahl der Nicht-Wahlberechtigten in Österreich erreicht mit fast 19% einen Rekord, hauptsächlich aufgrund der hohen Zuwanderung
    red
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