Wien-Wahl
Wahlergebnis der Grünen: Corona killt den Klima-Hype
Auch wenn das 2019-Ergebnis der Bundespartei nicht ganz erreicht werden konnte, dürfte Birgit Hebein mit 14,2 Prozent ganz zufrieden sein.
Die erklärten Ziele der grünen Spitzenkandidatin Birgit Hebein konnten bei der Wien-Wahl am Sonntag nur teilweise erfüllt werden. "Das beste Ergebnis" sollte es werden. Dazu notwendig waren mehr als jene 14,6 Prozent, die bei der Gemeinderatswahl 2005 erreicht werden konnten. Laut der Hochrechnung um 18.30 Uhr hat man mit 14,2 Prozent diesen Wert knapp verfehlt.
Andererseits wollte man auch hinter der SPÖ auf Platz 2 landen. Hier hat der grünen Landespartei allerdings die ÖVP mit ihren 18,8 Prozent einen Strich durch die Rechnung gemacht. Nichtsdestotrotz kann sich das Ergebnis sehen lassen, übernahm Hebein den Wiener Klub doch im Juni 2019, als die Grünen auf ein Wahlergebnis von gerade einmal 11,8 Prozent bei der Wien Wahl 2015 zurückblickten.
Greta war 2019
Fast ernüchternd wirken die 14,4 Prozent bei der Wien Wahl, wenn man dieses mit der Nationalratswahl vergangenes Jahr vergleicht. Zwar kamen die Grünen österreichweit auch "nur" auf 13,9 Prozent, in Wien leuchteten allerdings fast die Hälfte der Bezirke grün. Insgesamt waren es 20,7 Prozent der Wiener, die Werner Kogler und den Bundes-Grünen ihre Stimme gaben. Einen Wert, den man in Wien auch mit Social-Media-Ausgaben von insgesamt 150.000 Euro zu erreichen versuchte.
Auch wenn für die Gemeinderatswahlen eigene Regeln gelten und die Ergebnisse nur schwer miteinander vergleichbar sind, könnten einige Faktoren dazu beigetragen haben, dass Birgit Hebein Platz 2 knapp verfehlt. Die wahrscheinliche Fortsetzung von rot-grün ist jedenfalls gesichert.
War 2019 das globalpolitisch präsenteste Thema noch der Klimawandel, ist dies 2020 ohne Zweifel die Coronakrise. Gingen vergangenes Jahr noch jede Woche weltweit tausende "Fridays for Future" Aktivisten auf die Straßen, bangt heute ein großer Teil der Gesellschaft um seine Jobs.
Die drohende Klima-Katastrophe tritt schlicht hinter Themen wie Arbeitslosigkeit, Härtefallfonds, Maskenpflicht und Lockdown zurück. Wer pandemiebedingt nicht rausgehen darf, hat ohnehin nur wenig Bedürfnis nach Parks, kühlen bzw "coolen" Straßen und Klimaschutzmaßnahmen. Ein Greta-Hype, der den Grünen 2019 Woche für Woche ein Bergauf bei den Umfragewerten brachte, blieb heuer deswegen aus.
Fast schon überraschend fiel die Wahl bei der 81. Landesversammlung auf Birgit Hebein. Der breiten Öffentlichkeit ist die Kärntnerin deswegen erst seit 16 Monaten ein Begriff, seitdem ist sie Chefin der Wiener Grünen. Vier Tage später, am 26. Juni 2019, wurde sie Vizebürgermeisterin der Stadt Wien. Erst nach der Nationalratswahl 2019 stiegen auch die Umfragewerte der Wiener Grünen unter Führung der ehemaligen Sozialarbeiterin plötzlich an.
Dabei hat sie in den letzten Monaten vorwiegend Zielgruppenpolitik betrieben. Wenig angriffig konzentrierte sie sich primär darauf, bei städtebaulichen Maßnahmen an vorderster Front mitzuwirken. Als federführende Kraft und Gesicht von Projekten wie dem Gürtel-Pool und der Pop-up-Radwege dürfte sie nur wenige unentschlossene Wähler überzeugt haben.
Das lokalpolitische Lager der Rechten in Wien hatte im Wahlkampf-Sommer schnell einen Sündenbock gefunden: Hebein, Hebein, Hebein. Dabei war es ganz egal, was in der "lebenswertesten Stadt der Welt" falsch zu laufen schien. Wenn es nicht die "rot-grüne Chaos-Regierung der Stadt" war, dann Birgit Hebein persönlich.
Simple Sündenbockpolitik, die Anklang zu finden schien. Unter praktisch jedem stadtpolitischen Nachrichtenartikel findet sich zumindest eine Reaktion, die die Wörter "Hebein", "Gutmenschen" oder "Neubürger" enthält. Faktenfremde Diskreditierung, die längerfristig auch den ein oder anderen neutralen, klimabewussten Wähler vergrault haben könnte.