Welt

"Flinten-Uschi" will das höchste Amt in der EU

Ursula von der Leyen wird in Deutschland hart kritisiert. Doch in der EU soll die zielstrebige Frau den höchsten Posten bekommen.

Heute Redaktion
Teilen
Picture

Bis Dienstag Mittag glaubten viele, die politische Karriere von Ursula von der Leyen (CDU) sei dem Ende nah. Pleiten, Pech und Pannen verfolgen die deutsche Verteidigungsministerin seit zwei Jahren. Ihre teuren Modernisierungspläne für die Bundeswehr waren zuletzt sogar Thema für einen Untersuchungsausschuss des Bundestages.



Nun wird sie direkt ins höchste Amt der EU katapultiert. Sie soll EU-Kommissionspräsidentin in Brüssel werden. Damit schließt sich ein Kreis: Ursula von der Leyen wurde in Brüssel geboren und verbrachte dort ihre Kindheit. Jetzt, im Alter von 60 Jahren, könnte sie genau dort ihre Karriere krönen. Vorausgesetzt, das frisch gewählte EU-Parlament stimmt am 16. Juli ihrer Nominierung zu. Und das kann schwierig werden, vor allem Europas Sozialdemokraten reiben sich an der eloquenten Deutschen.

"Flinten-Uschi" steigt auf

Tatsächlich ist Europa ihr ein Herzensanliegen, sagt sie. Als Ministerin warb sie für europäische Verteidigungszusammenarbeit: Bedrohung durch Russland, Chinas Aufstieg und ein irrlichternder US-Präsident müssten die EU eng zusammenrücken lassen. Dass sich die EU auf eine Verteidigungsunion einigte, zählt zu ihren Verdiensten. Anders als zu Hause in Deutschland ist von der Leyen, die fließend Englisch und Französisch spricht, in der EU hochangesehen. Daheim wird sie oft als „Flinten-Uschi" geschmäht.

Sieben Kinder der Ärztin

Politik lernte die Tochter des früheren niedersächsischen Ministerpräsidenten Ernst Albrecht (CDU) schon im Elternhaus. Doch sie schlug am Anfang einen anderen Weg ein: Sie studierte Volkswirtschaft, wechselte später zu Medizin und wurde Ärztin. Mit ihrem Mann, dem Medizinprofessor Heiko von der Leyen, lebte sie in den 1990er-Jahren in Kalifornien. Als Mutter von sieben Kindern wurde sie 2003 Landtagsabgeordnete in Niedersachsen und Landesministerin. Im ersten Merkel-Kabinett wurde sie 2005 Bundesfamilienministerin.

Die unheimliche Karriere

Ihr gelang eine Karriere, die vielen Parteifreunden unheimlich ist, vor allem weiblichen. Weil Von der Leyen auf Karriereregeln pfiff. Nächtelanges Netzwerken in Hinterzimmern, die Pflichtübung des politischen Aufstiegs, war nicht ihre Sache. Sie steuert ihre Ziele direkt an, sagt sie. Als kalt nehmen Parteifreunde sie wahr. Ihr Profi-Dauerlächeln in Kameras wirkt auf viele künstlich.

Doktorarbeit unter Plagiatsverdacht

„Aufstehen, weitermachen", lautet eines ihrer Rezepte zum Umgang mit Niederlagen. Ihre Disziplin ließ sie auch 2015 den Plagiatsverdacht über ihre Medizin-Doktorarbeit durchstehen, der ihr fast die Ämter gekostet hätte. Die Universität Hannover bescheinigte der Arbeit nach langen Überlegungen, dass die Ergebnisse „wissenschaftlich neu, valide und von praktischer Relevanz" seien, wenn sie auch fehlerhaft gewesen seien.

Ein Händchen für Spitzenjobs

Immer hat es von der Leyen verstanden, für diverse Spitzenposten gehandelt zu werden. Jahrelang galt sie in Deutschland als Kanzlerin der Reserve. Die Kanzlerin ihrer Generation sei Angela Merkel, sagte sie dazu. Das wurde ihr als Koketterie ausgelegt. Gehandelt wurde sie auch als NATO-Generalsekretärin.

Jetzt hat sie ein anderes Ziel: Von der Leyen düste bereits heute zum EU-Parlament, um bei den EU-Abgeordneten um Stimmen werben.

(GP)