Wien
"Vollkasko-Versicherung gibt es nicht gegen Teuerung"
Kann die Stadt alle Teuerungen abfedern? "Nein", sagt Wiens Wirtschaftsstadtrat Peter Hanke. Auch die Wiener seien jetzt gefordert, Energie zu sparen.
Es sind schwierige Zeiten für viele Wiener. Nicht nur, dass die Energie-Preise regelrecht explodieren. Getrieben von teurem Strom, Sprit und Gas steigt auch die Inflation gewaltig an – und reißt die Preise für Lebensmittel, Mieten und Co. in ungeahnte Höhen. In der Folge stürmen die Menschen Essensausgaben und Beratungsstellen. Manche Sozialmärkte müssen schließen, weil ihnen die Waren ausgehen und das Caritas-Projekt "Le+O" musste sogar erstmals in seiner Geschichte einen Aufnahmestopp für neue Klienten verhängen.
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"Heute" sprach mit Wiens Wirtschafts- und Finanzstadtrat
Die Preise explodieren, vor Sozialmärkten und Essensausgaben bilden sich lange Schlangen. Viele Wiener sind verzweifelt und können sich ihr Leben kaum mehr leisten. Macht ihnen das Sorgen?
"Es macht mir große Sorgen", so Hanke. Die Corona-Krise habe zu Verzerrungen in der Gesellschaft geführt, "manche kommen einfach nicht mehr mit", weiß der Wirtschaftsstadtrat. Hier sei die Politik gefordert, gegen zu wirken. Aber Hanke betont auch, dass es sich bei der derzeitig sehr schwierigen Situation nicht um ein Wiener, sondern um ein weltweites Problem handelt. "Es geht um eine Großwetterlage", betont der Stadtrat.
Aber Wien stünden durchaus Schrauben zur Verfügung, an denen gedreht werden könne, um den Menschen in dieser schwierigen Zeit beizustehen. Und das werde auch gemacht. So habe Wien bereits im März die ersten drei Säulen eines Hilfspakets für besonders bedürftige Wienerinnen und Wiener vorgestellt. Am 14. Juni präsentierten Bürgermeister Michael Ludwig und Finanzstadtrat Peter Hanke die vierte Säule. "Um rasch zu helfen haben wir nun den Wiener Energiebonus 2022 geschnürt." Rund 680.000 Wiener Haushalte sollen damit Ende des Jahres 200 Euro auf’s Konto bekommen. Diese Hilfe gehe "tief in den Mittelstand hinein", betont Hanke. Besonders Betroffene werden mit insgesamt 1.000 Euro unterstützt. Insgesamt investiert die Stadt 255 Millionen Euro.
Wien versuche immer, "möglichst schnell und unbürokratisch zu helfen" und den Wienern in diesen "schwierigen Tagen, Wochen und Monaten eine Stütze zu sein. Und es wird nicht wirklich einfacher werden", ist Hanke überzeugt.
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Ihre Parteichefin Pamela Rendi-Wagner hat ausgerechnet, dass das Anti-Teuerungspaket Spitzenverdienern wie ihr 6.000 Euro an Entlastung bringt. Für den Normalverdiener ist die Entlastung weit geringer. Ist das fair?
(Anm.: Der Bund beschloss nun ein Hilfspaket gegen die Teuerung. Das Gesamtvolumen des Maßnahmenpakets inklusive Abschaffung der kalten Progression und Valorisierung der Sozialleistungen beträgt voraussichtlich 28,6 Mrd. Euro für den Zeitraum 2022 bis 2026.)
"Nein", ist Hanke überzeugt. "Da geht sicher noch mehr", so der Wiener Finanzstadtrat. Man müsse auf die Betroffenen schauen. "Es müssen klarer Weise die, die es nicht leicht haben in der Gesellschaft, die am unteren Ende der Einkommenspyramide angesiedelt sind, jetzt unterstützt werden." Steigende Kosten würden natürlich sehr einschränken und das Leben nicht leichter machen. Um so wichtiger sei es daher, dass die Stadt alles dafür tue, die hohen Standards bei Gesundheitsversorgung, Mobilität und Co. zu halten. Dafür werde seitens der Stadtregierung gekämpft und alles mögliche getan, bekräftigt Hanke. Auch in den Pandemiejahren habe Wien bewiesen, dass "die Versorgungsqualität in Wien einzigartig ist".
Kann die Stadt alle Teuerungen ausgleichen?
"Ich glaube nicht, dass die Stadt alle Teuerungen wird ausgleichen können. Die Stadt oder den Staat als Vollkasko-Versicherung wird es wohl nicht geben", so Hanke. Es bedeute aber auch, dass sich die Menschen überlegen müssen, wie sie ihre Lebens- und Energiekosten ein Stück weit reduzieren können. Energiesparen sei ein wichtiges Thema, so Hanke. Als Beispiele führt er TV-Geräte im Stand-by-Modus an, oder einen bewussteren Umgang mit der Raumwärme. Hier sei jeder und jede gefordert.
Hanke kündigt gegenüber "Heute" eine Kampagne zu Energiespar-Möglichkeiten an. Leider sei Österreich nicht selbst in der Lage zu definieren, wie die Preissteigerungen aussehen. Wichtig sei aber zu betonen, so Hanke, dass Wien Energie Vorsorge getroffen hat. "Niemand muss sorgen haben, dass er oder sie nicht heizen oder kochen kann", verspricht der SP-Stadtrat.
Im Bezug auf Energiesicherheit erwarte er sich in den nächsten Tagen klare Pläne von der Bundesregierung und Energieministerin Leonore Gewessler (Grüne). "Pläne geben Sicherheit", so der Wiener Wirtschaftsstadtrat – und für diese müsse nun dringend gesorgt werden.
Wo sollen jene Menschen, die schon vor der Krise jeden Cent zwei Mal umgedreht haben, noch sparen?
"Diesem Klienten kann man das um Gottes willen nicht abverlangen", sagt Hanke. Denen müsse man jetzt finanziell helfen, verweist der Stadtrat auf das Vier-Säulen-Model der Wiener Energieunterstützung. Es sei für jene gemacht, die es jetzt wirklich brauchen. Sie würden so heuer bis zu 1.000 Euro an Hilfsleistungen erhalten. "1.000 Euro sind eine starke Ansagen gegen die Teuerung, gegen die Inflation und gegen die steigenden Energiepreise", betont Hanke.
Der Bund beschloss nun ein Hilfspaket gegen die Teuerung. Das Gesamtvolumen des Maßnahmenpakets inklusive Abschaffung der kalten Progression und Valorisierung der Sozialleistungen beträgt voraussichtlich 28,6 Mrd. Euro für den Zeitraum 2022 bis 2026.