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Victoria & Abdul: Die gute alte Zeit, wie sie nie war

Heute Redaktion
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Eine Königin, ihr loyaler Diener und ein missgünstiger Hofstaat. "Victoria & Abdul": Schöne Landschaften, gute Schauspieler und ein bisschen Schummelei.

Judi Dench (32) schlüpft nach "Ihre Majestät Mrs.Brown" (1997) zum zweiten Mal ins Korsett der Königin Victoria und wieder geht es um die Beziehung zu einem Mann, die den Hofstaat in Rage bringt. In den letzten 14 Jahren ihres Lebens verbrachte die englische Königin viel Zeit mit ihrem indischen Diener Abdul Karim (Bollywoodstar Ali Fazal, 30), der ihr eine der indischen Sprachen, Urdu, beibrachte und die Liebe der Königin zu "ihrem" Land Indien weckte.



Victoria: "Ich bin streitsüchtig, aber wenn ich eines nicht bin, dann ist das verrückt"


Die Königin schrieb schließlich sogar ihre Tagebücher in der fremden Sprache. Der Hofstaat, allen voran ihr Sohn, Kronprinz Bertie (genial: Eddie Izzard), hassen den "Munshi", drohen der Königin sogar, sie für verrückt erklären zu lassen. Victoria fördert ihn gegen alle Widerstände, zwingt dem Intriganten-Stadel am Hof mit Genuss ihre Wahl auf. Der muslimische Diener, der der christlichen Königin die Lebensfreude zurückgibt bleibt trotz aller Anfeindungen immer nett, höflich und loyal.

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    (Bild: Reuters)

    "Die Leute wollen keinen unsymphathischen Abdul"

    Regisseur Stephen Frears ("The Queen") verpackt wunderschöne Landschaften (witzig: das eiskalte Picknick in den Highlands) und eine schwierige Freundschaft, die auf wahren Fakten basiert in diesen sehenswerten Film, schummelt jedoch zum Wohle der Zuseher. "Die Leute wollen keinen unsymphathischen Abdul sehen", gibt Frears unumwunden zu. Deshalb wurde auch nicht nach wahrer Ähnlichkeit besetzt, sondern ein hübsch anzusehender Bollywood-Star bekam die Rolle als indischer Diener. Andere Fakten der problematischen englischen Vergangenheit wurden ebenfalls glattgebügelt.

    Ausgesucht wegen seiner Größe soll Karim der Königin im Film einfach nur eine Münze überreichen, weckt stattdessen jedoch das Interesse der gelangweilten Monarchin. Am Rande kommt heraus, dass Abdul log, dass sich die Balken bogen, um seine Vergangenheit in ärmlichen Verhältnissen zu schönen und sich so einen gut gepolsterten Platz im Leben zu sichern. Was er wirklich über die Briten und die Königin denkt, kommt nie ganz heraus.

    Tagebücher erst 2010 aufgetaucht

    Nach dem Ableben der Königin wurden alle Hinweise auf den Munshi getilgt werden. Erst 2010 tauchten in Indien Abduls Tagebücher auf. Autor Shrabani Basi, der "Victoria & Abdul" schrieb, wurde beim Vorstellen des Buchs in Bangalore, Indien, von einer noch lebenden Verwandten Karims kontaktiert. Begum Qamar Jehan war im Besitz der Aufzeichnungen und gab sie weiter.

    "Victoria & Abdul" mit einer immer sehenswerten Judi Dench und einem tollen Cast (Eddie Izzard!) ist auf jeden Fall sehenswert. Wer sich eine Aufarbeitung der britischen Vergangenheit erwartet, ist allerdings im falschen Film.

    Kinostart: 28. September 2017

    (lam)

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