Österreich
Vegetarier warnen wegen Corona vor Fleischkonsum
Vegetarier sind überzeugt: Würden wir weniger Fleisch essen, würde das Epidemierisiko sinken. Der Tierschutz findet es daneben, die Corona-Krise für eigene Zwecke zu nutzen.
Die Frage, was der Fleischkonsum des Menschen mit der aktuellen Corona-Pandemie zu tun hat, wird kontrovers diskutiert. Der Lebensmittelwissenschaftler und Geophysiker Dr. Kurt Schmidinger sagt: "Wir wissen seit Jahrzehnten, dass uns aus der weltweiten Fleischproduktion in Massentierhaltung und auf Wildtiermärkten neue Seuchen blühen. Mich überrascht, dass wir überrascht sind."
"Ställe und Schlachthäuser sind Brutstätten für Keime"
Auch der Verein gegen Tierfabriken (VGT) sieht einen Zusammenhang zwischen Fleischkonsum und Epidemien. Er erinnert daran, dass der Coronavirus "auf einem Tiermarkt von einem Tier auf den Menschen übergesprungen ist. Der Fleischverzehr hat also die Covid-19 Pandemie ausgelöst. Die Zustände auf diesen Tiermärkten sind katastrophal, sie hätten längst verboten gehört. Tatsächlich haben 75 % der neu auftauchenden Krankheitserreger für Menschen ihren Ursprung in Tieren, wie z.B. sämtliche Formen der Vogelgrippe, die Schweinegrippe, das Nipah-Virus, Ebola oder auch HIV."
Die UN-Landwirtschaftsorganisation FAO hat bereits 2008 darauf hingewiesen, dass insbesondere die industrielle Nutztierhaltung den idealen Nährboden für neue Krankheitserreger bietet. "Zusätzlich werden 70-80 % der weltweit verwendeten Antibiotika in der Tierindustrie eingesetzt, wodurch resistente Keime entstehen, was die zukünftige Bekämpfung bakterieller Infektionen drastisch erschwert", so Martin Balluch vom VGT.
"Mit dem Fleischkonsum hat das nichts zu tun"
Für Edmund Haferbeck, Leiter der Wissenschafts- und Rechtsabteilung der Tierschutzorganisation Peta, ist es "völlig klar, dass der unbeschreibliche Umgang mit Tieren solche Auswirkungen hat". "Tierställe und Schlachthäuser sind Brutstätten für potenziell krankmachende Keime, weshalb eine vegane Lebensweise nicht nur Tiere schützt, sondern auch die menschliche Gesundheit", sagt Haferbeck.
Für Roger Stephan, Professor für Tierärztliche Lebensmittelsicherheit und -hygiene an der Universität Zürich, ist diese Aussage nicht haltbar: "Eine Übertragung des Virus vom Tier auf den Menschen ist dort wahrscheinlicher, wo Menschen auf engem Raum zusammen mit Geflügel oder Schweinen zusammenleben, also etwa in chinesischen Hinterhöfen." Mit dem Fleischkonsum oder der Massentierhaltung habe das aber nichts zu tun. "Nach heutigem Wissensstand gibt es keinerlei Anhaltspunkte, dass dieses neuartige Coronavirus oder andere Coronaviren zu lebensmittelassoziierten Infektionen führen können."
"Das ist billigste Trittbrettfahrerei"
Dass Vegetarier und Politiker die aktuelle Krise nutzen, um auf ihre Anliegen aufmerksam zu machen, findet Helen Sandmeier vom Schweizer Tierschutz (STS) daneben: "Wir sind auch der Meinung, dass Schweizer eher zu viel Fleisch essen. Die aktuelle Situation auszunutzen, um auf die eigenen Anliegen aufmerksam zu machen, ist aber billigste Trittbrettfahrerei."
Regula Kennel von Proviande bestreitet nicht, dass es Tierseuchen gibt, die sich auf den Menschen übertragen können. Sie erinnerhalb etwa an die Vogel- oder die Schweinegrippe. "Das Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen hat für solche Fälle Notfallpläne, um die richtigen Maßnahmen für die Sicherheit der Konsumenten zu treffen." Einen Zusammenhang zwischen dem Verzehr von Fleisch und der Corona-Epidemie sieht Kennel hingegen nicht. Dass einzelne Politiker oder Bewegungen die Krise nutzten, um auf ihre Anliegen aufmerksam zu machen, liege aber in der Natur der Sache.