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Vater Thiem nennt den wahren Grund für den Knacks
Tennis-Ass Dominic Thiem ging bei der Generalprobe für Paris unter. Trainervater Wolfgang Thiem über die heikle Situation und Gründe für den Knacks.
"Den Norrie musst du eigentlich schlagen", sagt Wolfgang Thiem zu "Heute". Der Trainervater von Dominic Thiem verfolgte das Debakel daheim am Fernseher. "Es fehlt die Selbstverständlichkeit. Es geht darum, das Richtige zu tun. Dann gewinnst du Matches, dann kommt das Selbstvertrauen."
Thiems schlechtestes Match auf Sand seit einer Ewigkeit
Sein Sohn wollte Matches in die Beine und auch in den Kopf kriegen, die Brust rechtzeitig vor dem Jahres-Höhepunkt verbreitern - und dann das. Thiem ging nach vielen Regen-Verschiebungen beim ersten Match des ATP-250-Turniers in Lyon (FRA) unter. 3:6, 2:6 gegen Cameron Norrie ein Debakel. Er wirkte gegen die Nummer 49 der Welt chancenlos.
Wer es nicht gesehen hat: Das Spiel dauerte nur 65 Minuten. Thiem hatte keine Breakchance, in zwei Sätzen machte er nur neun Punkte als Rückschläger. Beim Aufschlag lief es nicht viel besser: Nur 57 Prozent der Punkte machte er nach seinen ersten Aufschlägen, Norrie zum Vergleich 91 Prozent. Der Brite nützte die fehlende Tiefe in Thiems fehlerhaften Schlägen, öffnete den Platz ohne viel Spin in seinen Schlägen geschickt und war nach frühen Breaks in beiden Sätzen eigentlich immer am Drücker.
„"Ich war motiviert, krieg so eine Klatsche. Das gibt schon zu denken" - Dominic Thiem“
Und was jetzt? In neun Tagen startet in Paris das wichtigste Sandplatz-Turnier der Welt. Thiem war für die meisten Experten - Motivationsprobleme hin und Tennis-Auszeit her - mit Stefanos Tsitsipas (GRE) der erste Herausforderer der Top-Favoriten Rafael Nadal (ESP) und Novak Djokovic (SER). Diese Rolle hat er in Lyon in 65 Minuten abgegeben und auch dort gelassen.
Das weiß er selbst. "In den letzten Jahren bin ich in Paris reingegangen, um zu gewinnen. Das heuer zu sagen, wäre vermessen." Mit so einer Abfuhr hat die Nummer vier der Welt nicht gerechnet. "Ich war topmotiviert, wollte unbedingt gewinnen und kriege dann so eine Klatsche. Das gibt schon zu denken."
Im Team Thiem war man eigentlich überrascht, wie gut das Comeback nach 50 Tagen Pause Anfang Mai gelang. "Es war ein gutes Zeichen, dass er in Madrid gleich so weit kam", bestätigt Vater Wolfgang im "Heute"-Gespräch. Erst im Halbfinale war gegen den späteren Turniersieger Alexander Zverev (GER) Endstation. In Rom wollte Thiem die Lücke zur absoluten Spitze schließen, verlor dann im Achtelfinale gegen den groß aufspielenden Lokalmatador Lorenzo Sonego, der am Tag darauf auch Novak Djokovic viel abverlangte.
„"Die Partie gegen Sonego verliert er ein Mal bei zehn Spielen" - Wolfgang Thiem“
"Die Partie gegen Sonego verliert er ein Mal bei zehn Spielen", glaubt Thiem senior. Es sei kein Vorteil gewesen, dass im Entscheidungssatz wegen Ausgangssperren keine Fans dabei sein durften. "Die Fans sind ein Faktor für Dominic. Er reflektiert das, wird gerne von Emotionen getragen. Ähnlich wie Djokovic, der spielt auch nicht gerne in einem leeren Stadion."
Die Fans waren natürlich auch ein Faktor für den emotionalen Sonego. Was Thiem vermitteln will: Es fehlte nicht viel in Rom und es fehlt auch nicht viel in Dominics Spiel. "In der nächsten Runde hätte Rublev gewartet, der spielt viel und ist nicht ganz auf der Höhe. Dann Djokovic. Bei zwei Semifinal-Einzügen reden wir anders über die Situation."
Doch dann kam Lyon, das schlechteste Thiem-Spiel auf Sand seit einer gefühlten Ewigkeit. "Mein Selbstvertrauen wird auch nicht gestört sein, wenn ich früh verliere", meinte er noch am Tag vor dem Norrie-Match. Da sagte er auch: "Ich bin generell auf einem hohen Niveau. Es fehlen nur ein paar Prozent in meinen Schlägen."
Nach der Pleite klang es so. "Ich muss definitiv mein Spiel verbessern. Dafür habe ich nur wenig Zeit, aber ich werde es versuchen." Er wolle so schnell wie möglich auf den Trainingsplatz und dort so viel Zeit wie möglich verbringen. Das frühe Aus sei kein Weltuntergang.
„"Dominic hat wieder ein Ziel. Er weiß, wofür er es tut" - Wolfgang Thiem“
Für Paris und die French Open ist Vater Thiem alles andere als pessimistisch. "Paris ist anders. Da geht es über drei Gewinnsätze, das ist eine Stärke von Dominic. Es zählt zu seinen Stärken, dass er auch bei 1:2-Satzrückstand nicht eingeht, das Level hoch hält und das durchzieht.“
Das mit den Motivationsproblemen sei Vergangenheit und auch so eine Sache. "Dass er nicht motiviert war, ist ein blöder Ausdruck. Er war ja motiviert. Aber es fehlten ein paar Prozent." Das sei jetzt anders. "Dominic hat wieder ein Ziel. Das ist Paris. Er weiß genau, wofür er es tut. Und das ist wichtig."
„"Die Corona-Krise war nicht entscheidend für den Knacks" - Wolfgang Thiem“
Laut Thiem senior sei das Tief nach dem US-Open-Triumph nicht zu verhindern gewesen. "Die Corona-Krise war nicht entscheidend für den Knacks. Es wäre auch ohne Pandemie passiert“, stellt er klar. "Dominic hat acht Jahre alles investiert in seinen Lebenstraum. Nach der Saison fuhr er das System runter und dachte nach. Es ist normal, die Frage zu stellen: 'Was kommt jetzt?' Er will sich nicht nur über den Sport definieren. Du willst eine Freundin haben, denkst an eine Familie."
Unterschied zu Zverev und Tsitsipas
Bei einem Grand-Slam-Sieg von Zverev oder Tsitsipas wäre das laut Thiem anders. "Die sind ein paar Jahre kürzer dabei. Da machst du einfach weiter."
Für Paris sieht er Nadal als Topfavoriten. "Obwohl er nicht so gut spielt wie in den letzten Jahren als er in Roland Garros eigentlich alle abschoss." Erster Herausforderer sei Djokovic. "Er war in Rom extrem fahrig und zornig. Ich habe das Gefühl, dass er schon wieder in seinem Modus ist. Er will den Grand-Slam-Rekord von Nadal und Federer knacken."
„"Zverev arbeitet härter. Sein Problem ist, dass es Tage gibt, wo er Scheiße spielt" - Wolfgang Thiem“
"Bei Nadal und Djokovic hat man immer das Gefühl, das Match läuft ihnen nicht davon." Genau das passierte Thiem in Lyon. "Die Beiden haben die Kontrolle, was passiert und immer einen Fuß in der Tür. Das ist genial", meint Wolfgang Thiem.
Zverev hätte seine Konsequenzen aus dem verlorenen US-Open-Finale gegen seinen Sohn gezogen. "Er arbeitet härter. Sein Problem ist, dass es Tage gibt, wo es abreißt und er Scheiße spielt." Tsitsipas sei den Besten näher gekommen: "Auf hohem Level wackelt die Rückhand aber immer noch."
Thiem senior wird nicht in Paris dabei sein. "Mit Massu funktioniert das gut. Mein Rolle ist unbedeutend. Ich bin auch Vater. Ich will, dass er gut spielt, aber auch, dass er happy ist. Ich bin nicht persönlich beleidigt, wenn ich nicht dabei bin. Wenn Bedarf da ist, helfe ich."
Bedarf ist da. Bis zum ersten Aufschlag in Paris sind es exakt neun Tage.