Wien

Van der Bellen nimmt rührend Abschied von Freundin

2016 hatte sie Alexander Van der Bellen im Präsidentschaftswahlkampf unterstützt. Jetzt ist "Frau Gertrude" im Alter von 94 Jahren verstorben.

Jochen Dobnik
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Im Jänner 2018 veröffentlichte die Holocaust-Überlebende Gertrude Pressburger ihre Erinnerungen "Gelebt, Erlebt, Überlebt" (Zsolnay Verlag)
Im Jänner 2018 veröffentlichte die Holocaust-Überlebende Gertrude Pressburger ihre Erinnerungen "Gelebt, Erlebt, Überlebt" (Zsolnay Verlag)
HERBERT NEUBAUER / APA / picturedesk.com

Die Holocaust-Überlebende Gertrude Pressburger, die 2016 Alexander van der Bellen im Präsidentschaftswahlkampf mit einem Facebook-Video unterstützt hat, ist am Freitagnachmittag nach langer, schwerer Krankheit im Alter von 94 Jahren gestorben.

"Tiefe Trauer"

In einem emotionalen Posting würdigt das Staatsoberhaupt auf Twitter die Verstorbene: "Der Tod von Gertrude Pressburger erfüllt mich mit tiefer Trauer. In ihrem Leben haben die Mitmenschen, die Freundschaften und das Vertrauen, das man jemandem schenkt, eine besondere Rolle gespielt. Und der Mut."

VdB würdigt Freundin

"Frau Pressburger hatte den Mut, ihre Geschichte als Holocaust-Überlebende zu erzählen", so der 77-Jährige. Sie hätte den Mut gehabt, zu ihrer Meinung zu stehen, Tatsachen anzusprechen, die Wahrheit auszusprechen. "Und Sie konnte etwas, was nicht viele können: Ihre Beobachtungen und Gefühle so in Worte fassen, dass dies von anderen Menschen nicht nur mit dem Verstand, sondern auch mit dem Herzen erfasst werden konnte. Meine Frau Doris und ich sind sehr dankbar für die Freundschaft mit Gertrude Pressburger. In diesen traurigen Stunden sind unsere Gedanken besonders bei ihrer Tochter, der Familie und ihren Freundinnen und Freunden."

Pressburgers Lebensgeschichte begann in einer Zimmer-Küche-Wohnung im Wien-Meidling der 1930er Jahre, wo sie als Tochter eines Tischlers mit ihren beiden jüngeren Brüdern aufwuchs. Wie ein einfaches und unspektakuläres Leben jäh gegen die Hölle auf Erden getauscht werden kann, davon erzählte sie eindrucksvoll in ihren 2018 veröffentlichten Erinnerungen "Gelebt, erlebt, überlebt" (Zsolnay Verlag).

Sie kämpfte mit ihrem Mundwerk

"Ich bin nicht nach Wien zurückgekommen, um mich wieder unterdrücken zu lassen. Ich schwöre mir, mir nichts mehr gefallen zu lassen. Ich kämpfe mit meinem Mundwerk", nahm sie sich nach dem Zweiten Weltkrieg vor. Das tat sie auch 2016, als sie in einem fünfminütigen Facebook-Video junge Leute vor politischem Hass warnte und sie aufforderte, von ihrem Wahlrecht Gebrauch zu machen. Freitagabend ist dieses Mundwerk nun für immer verstummt – doch "Frau Gertrudes" Vermächtnis lebt weiter.