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"Unsere Familie trägt jetzt auch daheim FFP2-Masken"
Da sie befürchten, ihr Kind könnte das Virus aus der Schule einschleppen, haben manche Eltern zuhause eine Maskenpflicht eingeführt.
Die Eltern arbeiten im Homeoffice, während die Kinder zwischen Schule und zuhause pendeln – das sorgt in Haushalten vermehrt für Unbehagen. Manche Eltern greifen deshalb zur häuslichen Maskenpflicht. "Unsere Familie trägt seit einer Woche auch daheim ständig FFP2-Masken", sagt Mutter R. F.* aus dem Kanton Zürich in der Schweiz. Die Maskenpflicht habe sie ihrem Mann und ihrer 16-jährigen Tochter aus purer Angst auferlegt.
Im Dezember habe sich ihre Tochter im Lehrbetrieb mit dem Virus angesteckt, worauf es auch sie erwischt habe, sagt die 52-Jährige. "Ich musste wegen Atemnot ins Spital und bin jetzt noch immer nicht ganz genesen." Eine solche Krankheit wollen sie auf keinen Fall nochmals durchmachen. Zudem glaube sie nicht, dass sie gegen das mutierte Virus immun sei. "Da die Schulen immer noch offen sind, besteht die Gefahr, dass meine Tochter das mutierte Virus einschleppt."
"Es ist zum Kotzen"
Gemeinsame Abendessen mit der Tochter finden nicht mehr statt. Retten habe sie diese wollen, indem sie ihrer Tochter angeboten habe, ihr dabei mit Abstand und Maske Gesellschaft zu leisten, so die Mutter. "Meine Tochter isolierte sich darauf zum Essen aber lieber in ihrem Zimmer."
Der Alltag mit Maske in den eigenen vier Wänden stellt die Familie laut R. F. auf eine emotionale Belastungsprobe. "Es ist zum Kotzen", sagt sie. Ihre Tochter verstehe die Maßnahme, ziehe sich aber immer mehr zurück. Vorher habe sie zuhause immer viel erzählt. Jetzt hingegen rede sie kaum mehr.
Homeoffice mache keinen Sinn mehr
Auch Rahel Salathé, Ehepartnerin von Epidemiologe Marcel Salathé, beschäftigen Familien, die zuhause Masken tragen. Kürzlich twitterte sie: "Wenn Eltern zuhause (!!) Masken tragen, damit sie nicht von ihren Kindern angesteckt werden, die in der Schule und auf dem Schulweg nicht geschützt sind … Finde den Fehler"
Ähnlich ergeht es Familie T.* aus dem Kanton Basel-Stadt. "Da mein Sohn das Virus jederzeit von der Schule nach Hause bringen kann, reicht es eigentlich nicht aus, dass ich seit Monaten im Homeoffice arbeite", sagt Hochschuldozentin P. T.*. Sie und ihr Mann, der als Bahnangestellter auswärts arbeiten müsse, trügen seit Herbst auch zuhause FFP2-Masken, der 14-jährige Sohn eine Hygienemaske.
"Wir gehen uns mehr aus dem Weg"
"Sobald wir uns im gleichen Raum aufhalten, ziehen wir die Masken an", sagt die 51-Jährige. Am Tisch legten sie diese ab, hielten aber eine große Distanz ein.
Das ständige An- und Ablegen der Maske sei mühsam. "Es hat zur Folge, dass wir uns in der Familie mehr aus dem Weg gehen." Wäre ihr Sohn jünger, würde er darunter leiden, glaube sie. P. T. fordert effizientere Schutzmaßnahmen in der Schule oder die Wahlfreiheit zwischen Präsenzunterricht und Homeschooling.
Häusliche Maskenpflicht biete zusätzlichen Schutz
Marcel Tanner, Mitglied der Covid-19-Taskforce des Bundes, hält fest, dass Ausbrüche in Schulen bisher nicht häufig gewesen seien. Bei höheren Übertragungsraten, gerade durch die ansteckenderen Mutationen, könnten Schulausbrüche jedoch häufiger werden.
Der Epidemiologe sieht im häuslichen Maskentragen, was stets ein persönlicher Entscheid sei, einen zusätzlichen Schutz vor einer Ansteckung. Wichtig sei überall das korrekte Tragen von Masken, besonders im Falle der FFP2-Masken.
"Man kann diese nicht einfach auf die Nase stecken und dann meinen, man sei geschützt", so Tanner. Die Maske dürfe nicht verrutschen und müsse gut sitzen. «Auch verliert sie ihren Nutzen, wenn man sie in den Fingern herumdreht oder sich ins Gesicht fasst." Die Maske dürfe nicht dazu verleiten, dass das Abstandhalten und die Hygienemaßnahmen vernachlässigt würden. Gleichzeitig appelliert Tanner an die Vernunft. "Die Familien sollten nicht aus Angst und Panik handeln." Entscheidend für den Umgang mit dem Virus sei hier die individuelle Risikoeinschätzung.
*Name der Redaktion bekannt