Ukraine

Schwerste Putin-Schlappe – Russen flüchten aus Großstadt

Seit Monaten stand Cherson unter Russen-Kontrolle. Jetzt hat der Kreml plötzlich den Rückzug angekündigt. Eine schwere Schlappe für Wladimir Putin.

Roman Palman
Wladimir Putins Armeeführung hat die Aufgabe der und Rückzug aus der strategisch wichtigen Stadt Cherson verkündet.
Wladimir Putins Armeeführung hat die Aufgabe der und Rückzug aus der strategisch wichtigen Stadt Cherson verkündet.
imago, Reuters

Seine Berufung zum Kommandant der gesamten Invasionsarmee sollte für die Russen die Wende bei ihrem festgefahrenen Überfall bringen. Doch anstatt von Erfolgen musste der berüchtigte "General Armageddon" Sergej Surowikin (55) dem Kreml jetzt vernichtende Nachrichten überbringen.

Offenbar sind Putins Soldaten der ukrainischen Gegenoffensive bei Cherson im Süden des Landes nicht mehr gewachsen. Wie russische Staatsmedien am 9. November melden, hat offiziell Surowikin um Erlaubnis für eine Aufgabe der strategisch äußerst wichtigen Stadt und für einen Rückzug über den mächtigen Fluss Dnipro gebeten. 

Angeblich tausende Tote und Verwundete

Verteidigungsminister Sergei Schoigu stimmte zu, musste sich danach aber ins Staats-TV ausrücken, um die herbe Schlappe schönzureden. Die Versorgung der Truppen am rechten Ufer sei nicht mehr gewährleistet gewesen, erklärte der enge Putin-Vertraute, der erst kürzlich den Kommandoposten in der Ukraine besucht hatte. Ein am Dienstag veröffentlichtes Video zeigt Schoigu und Surowikin mit düsterer Mine über einer Karte des Kampfgebietes:

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    Düstere Mienen beim Besuch des russischen Verteidigungsministers Sergej Schoigu (r.) beim Oberkommando des Ukraine-Feldzugs.
    Düstere Mienen beim Besuch des russischen Verteidigungsministers Sergej Schoigu (r.) beim Oberkommando des Ukraine-Feldzugs.
    IMAGO/SNA

    Auch Surowikin musste sich im russischen Fernsehen erklären: "Ein General muss kein großer Orator sein, aber dass Kommandeur Surowikin bei seinen geskripteten TV-Auftritten derart auffällig vom Teleprompter abliest – mit sekundenlangen Pausen zwischen Wörtern – ist schon auffällig", kommentierte ORF-Korrespondent in Moskau Paul Krisai den Auftritt auf Twitter. Das eigene Scheitern würden die Russen als Akt der Menschlichkeit und Sorge um die Leben ihrer Soldaten verkaufen.

    Als Ausgleich berichtet die russische Militärführung lieber von den schweren Verlusten, die man den ukrainischen Verteidigern von August bis Oktober zufügen habe können: "Mehr als 9.500 Tote und Verwundete" habe es auf alleine in der Region Cherson gegeben, auch mehr als 1.300 Panzer und gepanzerte Fahrzeuge habe man zerstört.

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      Cherson liegt am westlichen Dnipro-Ufer nur wenige Kilometer flussaufwärts von dessen Mündungsdelta ins Schwarze Meer.
      Cherson liegt am westlichen Dnipro-Ufer nur wenige Kilometer flussaufwärts von dessen Mündungsdelta ins Schwarze Meer.
      Screenshot Google Maps

      Von herben Verlusten in den eigenen Reihen will man aber nicht viel wissen. Die eigenen Todeszahlen seien "sieben bis acht Mal geringer als die des Feindes". Demnach hätten die Russen in den drei Monaten intensivster Kampfhandlungen "nur" zwischen rund 1.200 und 1.400 Tote und Verletzte verzeichnet.

      Kiew: "Keine Anzeichen" auf kampflosen Rückzug

      Zahlen, die sich in den ukrainischen Berichten gänzlich anders darstellen. Weder die einen noch die anderen Angaben können unabhängig überprüft werden. In Kiew sieht man die russischen Rückzugsmeldungen derzeit noch skeptisch. Man sehe noch "keine Anzeichen" für eine kampflose Flucht aus der Stadt am westlichen Dnipro-Ufer.

      Fest steht jedenfalls, dass eine erzwungene Aufgabe von Cherson – sollte es nicht nur eine russische Finte sein – einen schweren Schlag für Wladimir Putins Kriegsziele bedeuten würde. 

      Wichtigster Brückenkopf

      Der Region Cherson sowie der gleichnamigen Stadt kommt im Krieg besondere Bedeutung zu. Die Rückeroberung des Verwaltungszentrums am westlichen Ufer des Dnipro mit vormals 290.000 Einwohnern müsse für Kiew absolute militärische Priorität haben, hieß es in einer Analyse des des Institute for the Study of War (ISW) Mitte Oktober.

      Solange der russische Brückenkopf am rechten Ufer des mächtigen Flusses bestehen bleibe, sei die Gefahr groß, dass Putin etwa nach einem Waffenstillstand bzw. im nächsten Frühling hier eine neuerliche Invasion starten könne.

      Könnten die Russen hingegen wieder über den Dnipro zurückgedrängt werden, würde dieser als natürliche Barriere eine neue Offensive massiv erschweren. Doch: "Der Dnipro sollte nicht die erste Verteidigungslinie der Ukraine sein, sondern die letzte", so die ISW-Experten.

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