Ukraine
Mobilmachung – Jetzt schickt Putin auch Frauen in Krieg
Am Mittwoch kündigte der russische Präsident Putin eine Teilmobilmachung der Armee an. Über 300.000 Personen werden zu den Waffen gerufen.
Die Ankündigung Putins, die russischen Streitkräfte mobilisieren und in den Ukraine-Krieg schicken zu wollen, schlug hohe Wellen. Er sagte am Mittwoch, dass Russland aufgefordert wurde, die Scheinreferenden in den Regionen Donezk, Luhansk, Cherson und Saporischschja "zu unterstützen". "Um unsere Heimat und unsere Integrität zu schützen, halte ich es für notwendig, eine Teilmobilisierung zu unterstützen", donnerte er.
"Bekomme Anrufe von besorgten Müttern"
Die Ankündigung kam auch in Russland recht überraschend – "Heute" berichtete von Protesten in den Großstädten Moskau oder St. Petersburg, etwa 400 Menschen wurden festgenommen. Im Land herrscht zudem große Panik, viele Bürgerinnen und Bürger wollen das Land verlassen, die Flugtickets schossen in die Höhe. "Es herrscht große Verunsicherung bei den Leuten, sie wissen nicht, wen die Mobilmachung betrifft. Ich bekomme auch Anrufe von besorgten Müttern", sagt der Moskauer Jurist Iwan Samarin im "Ö1-Morgenjournal".
Jetzt schickt Putin auch Frauen in den Krieg
Die Mobilmachung sei sehr breit gefasst und könne praktisch jeden über 18 betreffen, der den Wehrdienst absolviert habe, stellt er fest. Auch Frauen in bestimmten Berufen, die in Russland als "kriegsrelevant" gelten, sind von dieser Maßnahme betroffen, etwa Ärztinnen. "Alle wehrfähigen Personen dürfen derzeit theoretisch ihren Wohnort nicht verlassen, geschweige denn ausreisen", sagt der Anwalt. Da der Kreml aber nach wie vor keinen Krieg ausgerufen habe – man spricht nach wie vor von einer "militärischen Spezialoperation" – sehe es in der Praxis anders aus, so Samarin.
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Militärkommissariate "überlastet"
Die 300.000 einberufenen Reservisten seien drei Mal so viele Menschen, wie üblicherweise in einem Jahr zum Grundwehrdienst einrücken, rechnet der Anwalt. Bereits 10.000 Mann sollen in den ersten 24 Stunden nach Ankündigung ihrem Einberufungsbefehl nachgekommen seien, meldet das russische Verteidigungsministerium. Samarin befürchtet, dass "Militärkommissariate jetzt überlastet sein werden", sollten wirklich 300.000 Soldaten einziehen.
Die genaue Anzahl an mobilisierten Personen sei laut dem Juristen nicht bekannt. Den entsprechenden Abschnitt im Erlass habe Putin für geheim erklärt. Die russische Tageszeitung "Nowaja Gaseta" berichtet unter Verweis auf Quellen in Regierungskreisen, dass sogar eine Million Soldaten einberufen werden sollen. Der Kreml bestreitet diese Zahl.
Der Teufelskreis der russischen Häftlinge
Man könne rechtlich kaum etwas gegen die Zwangseinberufung tun, stellt Samarin fest. Wer verweigert, dem drohen saftige Haftstrafen, sogar bis zu 10 Jahren. Doch auch russische Häftlinge sind vor der Mobilmachung nicht sicher. Seit Monaten werden in Gefängnissen Soldaten für den Einsatz in der Ukraine rekrutiert, berichtet die Menschenrechtsaktivistin Olga Romanowa. Es gebe nur ganz wenige Möglichkeiten, einer Rekrutierung auszuweichen, stellt sie fest. Somit schließt sich der Teufelskreis: Wer den Einberufungsbefehl verweigert, wird inhaftiert. Im Gefängnis wird diese Person aber möglicherweise für einen Einsatz im Krieg rekrutiert und muss dann in der Ukraine kämpfen.
"Fliegende Wahlkommissionen" in besetzten Gebieten
Wie berichtet, hänge die Teilmobilmachung laut Putin mit den Scheinreferenden in den vier von Russland besetzten Gebieten in der Ukraine zusammen. Da der Krieg jedoch andauert und die ukrainische Führung klargestellt hatte, die Oblaste zurückerobern zu wollen, dauern die Kämpfe an. Die Wahlleiterin in Donezk kündigte an, "fliegende Wahlkommissionen" einrichten zu wollen, die zu den Menschen nach Hause kommt, "damit sie sich nicht in Gefahr begeben". Unabhängige Beobachter gibt es bei den Referenden nicht, es läuft somit alles unter russischem Kommando. Der ukrainische Präsident Selenski appellierte auf russisch in seiner Abendansprache: "Es ist die Zeit, eine Wahl zu treffen. Für russische Männer ist es die Wahl, weiterzuleben oder zu sterben."