Wien
Trauer-Protest für tote Ärztin vor Rauch-Ministerium
Vor dem Gesundheitsministerium versammelten sich am Freitag Trauernde, um der seit Monaten bedrohten Ärztin Lisa-Maria Kellermayr zu gedenken.
Die junge Hausärztin Lisa-Maria Kellermayr (36) aus dem eigentlich sonst so beschaulichen Seewalchen am Attersee wurde von Impfgegnern massivst bedroht, sodass sie schließlich aus Angst und Personalnot ihre Praxis dicht machen musste. Die Behörden schauten (zu) lange weg – und jetzt ist es zu spät. Die Nachricht ihres viel zu frühen Todes schockte am Freitag ganz Österreich.
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Die ermittelnde Polizei schließt Fremdverschulden aus. Doch das sorgt jetzt für massive Kritik an der Exekutive, der Ärztekammer und der Regierung von Menschen, die durch die derart heftigen Anfeindungen und monatelangem Mobbing – Kellermayr hatte bis zuletzt Morddrohungen erhalten – sehr wohl eine Außeneinwirkung sehen. Die Vorwürfe außerdem: Die Oberösterreicherin sei von den offiziellen Institutionen nicht nur nicht ausreichend geschützt, sondern auch im Stich gelassen worden.
Tote Ärztin wünschte sich Rauchs Rücktritt
In Folge des Bekanntwerden von Kellermayrs Tod sprachen auch Polit-Größen des Landes, darunter Gesundheitsminister Johannes Rauch (Grüne), ihr Beileid aus und verurteilten die Hass-Attacken scharf.
"Die Nachricht über den Tod von Dr. Kellermayr bestürzt mich zutiefst. Als Ärztin hat sie ihr Leben der Gesundheit und dem Wohlergehen anderer gewidmet. Morddrohungen gegen sie und ihre Mitarbeitenden waren brutale Realität. Hass gegen Menschen ist unentschuldbar. Dieser Hass muss endlich aufhören. Meine Gedanken sind bei der Familie und den Angehörigen von Dr. Kellermayr", schrieb Rauch in seiner Reaktion.
Das sorgt nun für Empörung, denn der Entscheidungsträger über Corona-Maßnahmen und Impfvorgaben hatte sich zuvor offenbar kaum für den tragischen Fall der Ärztin interessiert – und Kellermayr selbst war zutiefst enttäuscht von ihm, wie ihr letzter öffentlicher Tweet zeigt: "Ich wurde einmal von einem Journalisten gefragt was ich mir vom aktuellen Gesundheitsminister Johannes Rauch wünsche. Antwort: Eine kompetente Nachfolgerin oder einen kompetenten Nachfolger. #ruecktrittrauch", schrieb die nunmehr verstorbene Ärztin noch am Mittwoch.
Trauer und Protest am Stubenring
Noch am späten Nachmittag versammelten sich deshalb spontan zahlreiche Menschen vor dem Wiener Gesundheitsministerium am Stubenring und stellten mahnende Grablichter und Blumen im Gedenken an Kellermayr auf. Dazu fanden sich Botschaften, die Rauch einen früheren Tweet aus dem Krisenherbst 2021 (siehe unten) vorhalten, oder Dank für die Arbeit der 36-Jährigen Ausdruck verleihen. Am Montag, gegen 20 Uhr, soll eine weitere, noch größere Gedenkveranstaltung am Stephansplatz folgen.
Rückblick: Wie alles begann
Der Hass, der der praktischen Ärztin spätestens seit der Veröffentlichung eines Videos einer Demonstration von Impfgegnern vor dem Krankenhaus in Wels entgegenschlug, nahm rasch erschütternde Ausmaße an. Auf die Morddrohungen hatte sie monatelang mit eigens engagierten Sicherheitsdiensten, Notfallknöpfen in der Praxis, Sicherheitstüren und Kameras reagiert.
45.000 Euro hatte Kellermayr (36) seit vergangenem November für Sicherheitsmaßnahmen in ihrer Praxis ausgegeben. Doch nach einer Weile wurde der Hass offenbar zu viel und sie schloss ihre Ordination. "Ginge es nur um mich, würde ich das alles nicht machen. Aber ich habe eine Fürsorgepflicht gegenüber meinen Mitarbeiterinnen. Und ich kann nicht riskieren, dass meinen Patienten etwas passiert", sagte Kellermayr damals.
"Ich werde dich hinrichten"
Mit dem Betreff "Ich werde dich hinrichten" hatte die Ärztin etwa am 22. November ein E-Mail von einem Mann, der sich als Claas W. ausgab, bekommen: "Du kannst ja gerne mit Anwälten drohen, aber kriegen werdet ihr mich sowieso nicht. Stattdessen habe ich nun beschlossen, dich zu kriegen. Wenn ich schon einmal dabei bin, werde ich aber selbstverständlich alle anderen Mitarbeiter deiner Praxis auch abschlachten", heißt es darin. Beendet wurde das E-Mail mit den Worten: "Sollte ich zu viel Gegenwehr bekommen, wenn ich euch besuchen komme, knalle ich euch eben einfach ab. Wäre aber schade, dann hätten wir ja viel weniger Spaß. Auf bald!"
Eine unter dem Namen "Nella" auftretende Hacktivistin aus Deutschland hatte damals Kontakt mit der Ärztin aufgenommen. Sie konnte innerhalb weniger Stunden alleine mit gezielten Google-Suchen und öffentlichen Informationen einen mutmaßlichen Täter identifizieren, berichtete der "Standard". Demnach soll es sich um einen amtsbekannten Rechtsextremen aus Berlin handeln. Signifikante behördliche Schritte blieben selbst nach dieser Hilfestellung aus.
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