Letzter Besucher wurde getötet

Tourist auf "verbotener Insel" – wird einfach ignoriert

Ein 24-Jähriger ist illegal zur verbotenen Insel North Sentinel vorgedrungen – und hatte wohl Glück: Die isolierte Stammesgemeinschaft ignorierte ihn.
20 Minuten
03.04.2025, 16:11

Ein 24-jähriger Tourist aus den USA mit ukrainischen Wurzeln ist auf der indischen Insel North Sentinel gelandet, wurde von der dort lebenden, isolierten Stammesgemeinschaft jedoch völlig ignoriert. Das könnte ihm das Leben gerettet haben: Der letzte Besucher, der versuchte, mit dem isolierten Stamm in Kontakt zu treten, wurde 2018 von den Sentinelesen mit Pfeil und Bogen getötet.

Mychajlo Wiktorowytsch Poljakow wurde laut Behörden am Montag auf den Andamanen und Nikobaren festgenommen. Er war am 29. März kurz nach Mitternacht mit einem selbstgebauten Boot zur verbotenen Insel gestartet. Gegen zehn Uhr erreichte er die Insel, auf welcher der Kontakt mit Außenstehenden seit Jahrzehnten untersagt ist. Mit einem Fernglas suchte er vom Boot aus nach Stammesmitgliedern. Weil sich niemand zeigte, blies er fast eine Stunde lang in eine Trillerpfeife, um Aufmerksamkeit zu erregen – ohne Erfolg.

Kontakt mit der Gemeinschaft

1771 beobachtete der Brite John Ritchie von einem Forschungsschiff aus Lichter an der Küste – erster Hinweis auf eine Besiedlung der Insel.

1880 landete der britische Kolonialbeamte Maurice Vidal Portman als erster Europäer auf North Sentinel Island. Er verschleppte sechs Stammesmitglieder nach Port Blair – zwei von ihnen starben. Die anderen wurden zurückgebracht.

Zwischen 1885 und 1887 kehrte Portman mehrfach auf die Insel zurück.

1896 gelangte ein entflohener indischer Sträfling auf die Insel. Tage später wurde er tot aufgefunden – von Pfeilen getroffen und mit durchgeschnittener Kehle.

1974 versuchten der österreichische Bergsteiger Heinrich Harrer und Belgiens Ex-König Leopold III. Kontakt mit den Sentinelesen aufzunehmen, wurden jedoch mit Pfeilen bedroht und zogen sich zurück.

1975 besuchten Anthropologen und ein Fotograf von "National Geographic" die Insel, lockten Stammesmitglieder mit Kokosnüssen an den Strand und fotografierten sie aus der Ferne.

1981 strandete während eines Taifuns der Frachter Primrose vor der Insel. Die 33-köpfige Besatzung wurde per Helikopter gerettet. Das Wrack liegt bis heute dort.

1991 gelang ein friedlicher Kontakt, als die Ethnologen Trilok Nath Pandit und Vishvajit Pandya die Insel betraten.

1996 wurde North Sentinel Island offiziell zum Sperrgebiet erklärt. Der Besuch ist seither verboten und wird von Polizei und Marine überwacht.

2004 nach dem verheerenden Tsunami wurde ein Aufklärungsflug mit einem Helikopter von Pfeilen der Sentinelesen abgewehrt. Die Insel hatte sich durch tektonische Hebung um bis zu zwei Meter angehoben.

2006 kamen zwei Fischer ums Leben, nachdem sie sich der Insel genähert hatten – vermutlich wurden sie von den Inselbewohnern getötet.

2018 wurde der US-Missionar John Allen Chau bei dem Versuch, die Sentinelesen zum Christentum zu bekehren, getötet.

Bei der Rückkehr wurde er verhaftet

Anschließend betrat Poljakow für etwa fünf Minuten die Insel, filmte sich mit einer GoPro-Kamera, sammelte Sandproben und legte eine Kokosnuss sowie eine Dose Süßgetränk offenbar als "Geschenk" nieder. Am selben Abend kehrte er zurück und wurde gegen 19 Uhr von Fischern am Strand gesichtet. Die Polizei nahm ihn fest, beschlagnahmte seine Kamera sowie Boot und Motor.

Laut Ermittlern war die Reise sorgfältig vorbereitet: Der 24-Jährige soll Gezeiten, Strömungen und Zugangswege recherchiert haben. Bereits im Oktober 2024 hatte er versucht, mit einem Schlauchboot zur Insel zu gelangen, wurde damals aber vom Hotelpersonal gestoppt. Im Jänner filmte er zudem illegal Mitglieder des Jarawa-Stamms auf den Baratang-Inseln.

Krankheiten könnten die Gemeinschaft bedrohen

Die Polizei hat ein Verfahren gegen ihn eingeleitet. Ihm wird vorgeworfen, gegen das indische "Andaman & Nicobar Islands Regulation" von 1956 sowie gegen das Ausländergesetz von 1946 verstoßen zu haben. Beide Gesetze verbieten nicht autorisierte Reisen in geschützten Stammesgebiete. "Wir ermitteln derzeit, welche Orte er außerdem besucht hat, und befragen das Hotelpersonal in Port Blair", sagte Polizeichef H.S. Dhaliwal. Poljakow bleibt in Polizeigewahrsam. Die US-Botschaft, das indische Außenministerium sowie das Innenministerium wurden informiert.

Die Sentinelesen gelten als eine der letzten isolierten Bevölkerungsgruppen der Welt. Experten warnen, dass sie keine Immunität gegen gängige Krankheiten wie Grippe oder Masern haben und durch solche Infektionen ausgelöscht werden könnten.

Die Sentinelesen sind eine der letzten isolierten Bevölkerungsgruppen der Welt.
HANDOUT / AFP / picturedesk.com

Letzter Besucher überlebte nicht

"Es ist unfassbar, dass jemand so rücksichtslos und dumm sein kann", sagte Caroline Pearce von der Menschenrechtsorganisation Survival International der Zeitung "The Telegraph". "Er hat nicht nur sein eigenes Leben, sondern auch das Leben der gesamten Gemeinschaft aufs Spiel gesetzt."

Im November 2018 war der US-amerikanische Missionar John Allen Chau getötet worden, als er versuchte, die Sentinelese zum Christentum zu bekehren.

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