Wien
Tina wird jetzt Fall für Skandalbehörde MA35
Die trotz heftigen Protests abgeschobene Tina ist aktuell zurück in Österreich. Ausgerechnet die MA35 muss sich nun mit dem Fall beschäftigen.
Nach elf Monaten in Georgien ist die mittlerweile 13 Jahre alte Tina wieder zurück in Österreich. Im Jänner 2021 wurde die Wiener Gymnasiastin gemeinsam mit ihrer kleinen Schwester und der Mutter abgeschoben – in ein Land, dessen Sprache sie nicht lesen und so gut wie überhaupt nicht sprechen konnte. Alles, was sie wollte, war zurück zu ihren Freunden und in die Schule.
Abgeschobene Tina (13) ist wieder in Wien >>
Zumindest ersteres ist seit 30. Dezember wieder der Fall. Zum Zweck eines Besuchs darf sie als georgische Staatsbürgerin bis zu 90 Tage ohne Visum nach Österreich einreisen. In der Woche seitdem hat sie sich in ihrer Heimat Wien schon gut eingelebt und genießt mit ihren Freunden das Wiedersehen, berichtet der Anwalt der Familie, Wilfried Embacher, auf Twitter. Doch wie geht es jetzt weiter?
Schülervisum
Schon vor der Abreise gab es einen konkreten Plan. "Um wieder dauerhaft in ihre Schule gehen zu können, benötigt Tina einen Aufenthaltstitel", erklärt Embacher weiter. Für ein Schülervisum braucht es einen Schulplatz, Geld und eine Gastfamilie. Das Gymnasium Schottenbastei, in dem Tina die 3. Klasse besuchte, hat die Schülerin immer unterstützt, eine entsprechende Bestätigung bereits ausgestellt.
Somit wären alle notwendigen Voraussetzungen erbracht, aber es gibt ein Hindernis: 18 Monate nach einer Abschiebung darf kein neuerlicher Aufenthaltstitel erteilt werden. Diese Zeit wäre erst im Juli vorüber. Auch davon gibt es aber eine Ausnahme: "Wenn aufgrund ihres bisherigen Schulbesuchs, ihrer umfassenden Integration und der fehlenden Bindungen zu Georgien ein überwiegendes Interesse an der Erteilung des Aufenthaltstitels bejaht wird, kann Tina diesen Aufenthaltstitel schon vor Ablauf von 18 Monaten seit der Abschiebung erhalten", so Anwalt Embacher.
Fall bei MA35
"Es handelt sich um eine Kann-Bestimmung, daher liegt die Entscheidung im Ermessen der MA 35." Also ausgerechnet jener Behörde, die in den vergangenen Monaten Negativ-Schlagzeilen am Fließband lieferte. Telefone würden bewusst nicht abgehoben, Verfahren mutwillig in die Länge gezogen, stattdessen ausgelassen gefeiert, geschimpft und gefaulenzt werden. Wegen der zahlreichen Skandale kündigte Vizebürgermeister Christoph Wiederkehr Besserungen an.
"Wir werden jedenfalls den Antrag gut vorbereiten, demnächst einbringen und alle für Tina sprechenden Umstände genau begründen", so Embacher. Dass es mit der Behandlung des Antrags bis nach Juli dauern wird, glaubt Embacher nicht. "Zuletzt hat es in einigen Verfahren erkennbar Verbesserungen gegeben", antwortet er einem Twitter-User. "Ohne Optimismus ist eine Antragstellung sinnlos, dass es möglicherweise Herbst wird, ist eingeplant."
Der Fall Tina – ein kurzer Rückblick
Am 25. Jänner 2021 wurde eine Familie in Wien beim Abendessen von der Fremdenpolizei abgeholt und in einem Simmeringer "Familienunterbringungsgebäude" untergebracht. Zur Überraschung von Klassenkameraden und Lehrern blieb Tinas Platz im Gymnasium Stubenbastei am darauffolgenden Tag leer. Die 12-Jährige Tina, ihre Schwester Lea (5) und Mama Nino saßen nun in Schubhaft.
Es formierte sich breiter Protest, der von Wiens Bürgermeister, der SPÖ, NEOS und Grünen bis hin zum Bundespräsidenten und Vizekanzler reichte. Einzig die Kanzler-Partei ÖVP, allen voran der damalige Innenminister und nunmehrige Bundeskanzler Karl Nehammer, blieb hart. Man könne rechtskräftige Bescheide nicht einfach aussetzen, Tinas Mutter habe die nötigen Behördengänge verpasst und Mitteilungen ignoriert.
Der mediale Aufschrei war enorm, vor der Anstalt in der Zinnergasse demonstrierten – trotz winterlicher Temperaturen – zahlreiche Menschen gegen die Abschiebung. Darunter mischten sich auch einige Nationalratsabgeordnete. Mitschüler und Aktivisten versuchten, die Einfahrt bis 5 Uhr Früh mit Sitzblockaden abzusperren. Schlussendlich marschierten maskierte Beamte der Spezialeinheit WEGA mit einer Hundestaffel auf, zerrte die Kinder weg und schob die georgische Familie ab.
Tina fand sich nun in einem Land wieder, dessen Sprache sie nicht lesen, nicht schreiben und kaum sprechen kann. Auch wenn in Österreich die Mühlen der Justiz weiter mahlten, eine Maßnahmenbeschwerde anhängig wurde, mussten Tina und ihre Familie fürs Erste in Georgien zurechtkommen. Die 12-Jährige versuchte, das Distance Learning der 3. Klasse des Gymnasiums von Tiflis aus mitzuverfolgen.