"Polizei geschlafen"
Syrer, Tschetschenen: Er handelte den Banden-Deal aus
Tschetschenen und Syrer haben nach monatelangen Straßenkämpfen in Wien nun Frieden geschlossen. Ein Insider erzählt, wie es dazu kam.
Mehrere Monate lang dauerten die wiederkehrenden Angriffe und Auseinandersetzungen zwischen Wienern mit syrischer und tschetschenischer Herkunft. Es ging wohl um die Vorherrschaft "auf der Straße", Rache folgte auf Rache, nur mit großem Glück gab es keine Todesopfer zu beklagen. Unter Vermittlung älterer Gemeinschaftsangehöriger kam es nun zu Gesprächen.
Dabei konnten die Seiten offenbar tatsächlich Frieden schließen. Am Sonntag wurde eine "gemeinsame Erklärung" unterzeichnet, in der sie den Konflikt unter Jugendlichen offiziell beilegen wollen. Dabei stellen die Gemeinschaften auch klar, dass der Konflikt keinen ethnischen Ursprung hatte, sondern in alltäglichen Auseinandersetzungen wurzelten.
Das steht im Vertrag
"Durch mehrere Treffen und Gespräche haben wir die Jugendlichen auf beiden Seiten zur Vernunft gerufen und dazu bewegt, die Auseinandersetzungen zu beenden. Unser gemeinsames Ziel war und ist es, Frieden und Harmonie in unseren Gemeinschaften und in unserer Heimatstadt Wien wiederherzustellen", heißt es in er Erklärung.
Weiters nehme man den Vorfall als Anlass, die Bindung zwischen den Communitys zu stärken. "Diese Vereinbarung soll den Willen beider Seiten dokumentieren, den öffentlichen Frieden zu bewahren und eine positive Zukunft in Wien gemeinsam zu gestalten."
So kam es zur Aussprache
Wie es zu diesem "Friedensschluss" kam, erklärte folgend der Sozialarbeiter Ahmad Mitaev (bekannt als "Che" des Tiktok-Formats "Cop & Che") im "Ö1-Morgenjournal". Er nahm sogar selbst an diesen Friedensgesprächen teil. Dort saßen einerseits Vorstände der jeweiligen Kulturvereine, aber auch Geistliche mit am Tisch, denn Religion spielt im Alltag eine große Rolle. "Es wird alles auf den Tisch gelegt." Tenor gegenüber den Jugendlichen: Findet ihr das richtig, was ihr tut? Gehört sich das? Ihr seid zu Gast hier, benehmt euch.
Ältere Tschetschenen hätten sich bei Mitaev, aber auch bei anderen Jüngeren gemeldet, um die Hintergründe der Auseinandersetzungen zu erfahren. So kamen die Gespräche ins Rollen. Die Sorge: "Es wird wahrscheinlich sehr bald eskalieren, wenn wir uns nicht dazwischenstellen." Über den Kontakt mit syrischen Jugendlichen wurden diese "Ältestenräte" vermittelt.
"Polizei geschlafen"
Die Wurzel des Konflikts liegt eben weder in ethnischen Konflikten noch einem Bandenkrieg, sondern vielmehr handelte es sich um einen Machtkampf. Syrer hätten die Tschetschenen ihren gefürchteten Ruf streitig machen wollen, erklärt Mitaev. Dass es überhaupt so eskalieren konnte, begründet der Sozialarbeiter damit, "dass die Polizei geschlafen" habe. "Wenn die Polizei die Arbeit nicht macht, dann muss es halt Leute geben, die sich dieser Sache annehmen."
Ein Teil der Friedensgespräche sei auch gewesen, dass sich Leute, die etwas verbrochen haben, der Polizei stellen und entschuldigen. "Das soll weder die Polizei noch den Rechtsstaat ersetzen. Aber das ist leider die Wahrheit, dass die Polizei sich etwas zu wenig bemüht hat."
Sollte es in Zukunft doch wieder zu einem Aufflammen des Konflikts kommen, gibt es jetzt immerhin bereits eine gute Grundlage zur Beilegung. Die Communitys sind vernetzt, das nächste Mal werde es umso einfacher.
Auf den Punkt gebracht
- In Wien kam es zu wiederkehrenden Auseinandersetzungen zwischen syrischen und tschetschenischen Jugendlichen, die nun unter Vermittlung älterer Gemeinschaftsangehöriger Frieden geschlossen haben
- Die Gemeinschaften betonen, dass der Konflikt nicht ethnisch motiviert war und unterzeichnen eine gemeinsame Erklärung, um den öffentlichen Frieden zu bewahren und die Bindung zwischen den Communitys zu stärken
- Der Sozialarbeiter Ahmad Mitaev erklärt, dass die Polizei in diesem Fall versagt habe und dass die Jugendlichen zur Vernunft gerufen wurden, um die Auseinandersetzungen zu beenden