Szene
Stimme pfui, Stimmung hui bei Bon Jovi-Konzert
Die legendäre Rockgruppe aus New Jersey war in Wien zu Gast. Trotz einiger schiefer Töne feierten die Fans eine großartige Party.
Sechs Jahre ist es her, dass uns der mittlerweile 57-jährige Jon Bon Jovi mit seinen Mitmusikern in Wien besucht hat. Damals herrschte über der ganzen Stadt und der Krieau im Besonderen Weltuntergangsstimmung. Es schüttete in biblischen Ausmaßen. Das tat der Stimmung allerdings keinen Abbruch. Die Fans feierten, als gäbe es kein Morgen.
Das Wetter erwies sich am Mittwochabend nicht als verhinderter Spielverderber. Ganz im Gegenteil - es hätte gar nicht besser sein können. Der Grund, das Konzert diesmal eventuell in schlechter Erinnerung zu behalten, befand sich nicht über, sondern auf der Bühne.
Stimme pfui
Fangen wir also mit der schlechten Nachricht an. Bon Jovi sind, und das ist unbestritten, eine der größten Stadionrockbands des Planeten. Das haben sie sich jahrzehntelang mit unermüdlichen Touren und absoluten Welthits redlich erarbeitet. Doch irgendetwas ist mit Jon Bon Jovi passiert. Er hat das Singen nicht ganz verlernt, aber es fehlt ihm an Kraft, Volumen und vor allem Sicherheit. Und das schon seit einiger Zeit.
Fast mühsam klingt es, wenn er sich durch die Strophen alter Hits wie "Bed of Roses" quält. Beim Refrain angelangt, wird es, nur auf ihn herunter ebrochen, nicht wirklich besser. Trotzdem zeigt er freundlich sein blendendes Grinsen, mit dem er jede Zahnpasta- oder Kaugummi-Werbung aufwerten könnte, und rockt die Bühne wie ein Wirbelwind.
Den stimmlichen Rücken gestärkt bekommt er bei den Bridges und den Refrains außerdem von seinen auf absolutem Weltklasse-Niveau agierenden Bandkollegen. In der Hinsicht lässt man sich bei Bon Jovi nicht lumpen. Gitarrist Richie Sambora mag aus sentimentalen Gründen abgehen, musikalisch wird er sicher nicht vermisst.
Stimmung hui
War das jetzt, nach der Hiobsbotschaft die Stimme betreffend, schon die gute Nachricht? Nein. Die gute Nachricht ist nämlich folgende - dem Großteil der Fans war es schnurzpiepegal, dass der da oben nicht mehr ganz so fit und lupenrein ins Mikro singt. Fast alle Songs, die am Mittwoch auf dem fast zweieinhalbstündigen Programm standen, sind schon so etwas wie Allgemeingut. Sie haben sich durch permanentes Airplay sowie komponierter Eingängigkeit unauslöschbar in die Gehörgänge eingebrannt. Da will man nicht andächtig lauschen und danach brav klatschen. Man will aus vollem Hals mitsingen und -grölen.
Nummern wie "You Give Love A Bad Name", "Runaway", "Livin' On A Prayer", "It's My Life" oder "We Weren't Born To Follow" funktionieren genau nach diesem Prinzip. Wenn es auf der Tanzfläche einer x-beliebigen Dorfdisco zu ekstatischem Abfeiern kommt, dann doch wohl auch in einem ausverkauften Fußballstadion. Man ist sich in solchen Momenten immer selbst am nächsten. Man grölt (eventuell schon etwas eingetankt) die Textfetzen, an die man sich erinnert mit, zappelt im Takt und filmt gleichzeitig mit dem Handy mit, um den Freunden und Kollegen zu zeigen, dass man eh mit dabei war. Eine absolute Win-Win-Situation für den Künstler und seine Fans.
Die "böse" Presse mag am nächsten Tag über den Auftritt schreiben, was sie will. Es zählt einzig und alleine, wie die Show von den Fans im Augenblick aufgenommen worden ist. Und in den zweieinhalb Stunden hat man, wenn man sich umschaute, fast nur in glückliche Gesichter geschaut. So soll es sein.