Welt
"Spitzen-Schütze" – die vielen Tricks des Andreas S.
Andreas S. war in der Jägerszene kein Unbekannter. Zeugen und Insider verraten, welche Tricks der mutmaßliche Polizistenmörder von Kusel hatte.
Andreas S. und sein Bekannter Florian V. kehrten letzten Montagmorgen von der illegalen Wildjagd zurück, als sie im Landkreis Kusel in eine Verkehrskontrolle gerieten. Im Kofferraum des Autos lag der Nachschub für den florierenden Wildfleischhandel des 38-jährigen Andreas S. Mit einer Schrotflinte und einem Jagdgewehr sollen die Männer auf die 24-jährige Polizistin und ihren 29 Jahre alten Kollegen geschossen haben, um ihre Straftat zu vertuschen.
S. lebte seit Jahren von der Wilderei, um die 500 Rehe, Hirsche und Wildschweine soll er jedes Jahr in fremden Revieren abgeschossen haben, schätzt die "Bild"-Zeitung. Seinen Jagdschein hatte er laut "Focus" nach einem Unfall im 2004 verloren, dann aber wieder erhalten. Doch die vielen Wilderei-Gerüchte aus der Jägerschaft sollen schließlich dazu geführt haben, dass der Jagd- und Waffenschein vor zwei Jahren von den Behörden nicht mehr verlängert wurde. Wie er dennoch in Besitz der Waffen kommen konnte, ist derzeit noch Gegenstand der Ermittlungen.
Ein guter Schütze "mit kurzer Zündschnur"
In Jägerkreisen galt S. als "Spitzen-Schütze", sogar ein Turnier mit der Luftpistole soll er gewonnen haben. Doch auch habe er "eine kurze Zündschnur", sei leicht reizbar, wie der "Spiegel" berichtet. Ein erfahrener Jäger aus der Region sagt, er sei S. bei der Jagd lieber aus dem Weg gegangen.
Der mutmaßliche Wilderer S. soll seine Tricks bei der Jagd gehabt haben: So erzählen diverse Quellen dem "Spiegel", dass er etwa Futter auslegte, um Wildtiere anzulocken oder auch Nachtsichtgeräte und Wärmebildkameras verwendete. Selbst in dunkelster Nacht soll S. gewildert haben.
Gute Plätze zum Wildern ausgesucht
Komplize Florian V. verriet den Ermittlern, dass S. auch direkt aus dem Auto geschossen habe. V. habe dann die toten Tiere zum Auto geschleppt, für zehn Euro pro Stück. Die Plätze zum Wildern habe S. strategisch gewählt, schreibt der "Tages-Anzeiger". In der Nähe des Waldes, in dem S. zuletzt gewildert habe, gebe es einen Truppenübungsplatz der Bundeswehr. Da fielen Schüsse auch in der Nacht nicht besonders auf. Zudem benutzte er auf seinen Raubzügen Schalldämpfer.
In der Jägerszene war Andreas S. kein Unbekannter: Ein Zeuge beobachtete 2017, wie der Mann sich in einem fremden Jagdrevier aufhielt und ein Reh erlegte. Bei einer Konfrontation der beiden Jäger kam es offenbar zu einer Attacke. Der Zeuge zeigte S. bei der Polizei an. Dabei sagte er aus, dass er sich damals mit einem Sprung zur Seite retten musste, da Andreas S. mit seinem Auto direkt auf ihn zugefahren sei. Das Verfahren wurde aber eingestellt, weil S. sich genügend Alibis verschaffen konnte.
Zurzeit sitzen Andreas S. und Florian V. in Untersuchungshaft. V. hat bei seiner Einvernahme durch die Polizei bestritten, selbst geschossen zu haben. Der 38-jährige S., der den Ermittlern als Haupttäter gilt, macht von seinem Schweigerecht Gebrauch.
Hass und Hetze im Netz
Eine Woche nach der Ermordung zweier Polizisten in Rheinland-Pfalz hat das Landeskriminalamt bereits Hunderte Fälle von Hass und Hetze im Netz im Zusammenhang mit der Tat ermittelt. Bisher seien 399 Onlinebeiträge festgestellt worden, von denen 102 strafrechtlich relevant seien, teilte Innenminister Roger Lewentz (SPD) am Montag in Mainz mit. In 15 Fällen habe eine eigens eingerichtete Ermittlungsgruppe die Verantwortlichen bereits identifiziert.
Manche hätten die Tat im Internet regelrecht gefeiert oder die Opfer verhöhnt. "Ich empfinde das als schamlos – das ist pure Menschenverachtung, und das ist widerwärtig", sagte Lewentz. Es sei "kaum aushaltbar", dass die Angehörigen und Familien der Opfer nun auch noch Hass und Hetze im Internet ertragen müssten.
In einem im sozialen Netzwerk Facebook veröffentlichten Video hatte ein vermummter Mann dazu aufgerufen, Polizisten auf Feldwege zu locken, um sie dort zu erschießen. Das Video führte bereits in der Nacht zum Freitag zu einer Festnahme in einem Ort der Verbandsgemeinde Herrstein-Rhaunen. "Ich sage ganz klar: So etwas Widerliches werden wir nicht tolerieren", sagte Lewentz.