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Spanien will Kontrolle über Katalonien übernehmen

Kataloniens Chef Puigdemont geht nicht auf die Forderung der spanischen Zentralregierung ein. Diese will nun die Kontrolle der Region übernehmen.

Heute Redaktion
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Der Regionalpräsident Carles Puigdemont hat am Donnerstag auf Madrids zweites Ultimatum reagiert. Allerdings nicht im Sinne der Regierung. Denn der Chef Kataloniens ließ die Frist erst verstreichen und erklärte anschließend in seinem Schreiben an die Zentralregierung in Madrid wie erwartet, die ausgesetzte Unabhängigkeitserklärung zu reaktivieren.

"Falls die Regierung weiterhin den Dialog verhindert und mit der Repression weitermacht, kann das katalanische Parlament, falls es das für opportun hält, formell über die Unabhängigkeitserklärung abstimmen." Die Separatisten verfügen im Regionalparlament über eine Mehrheit der Sitze. Dass die Unabhängigkeitserklärung angenommen würde, gilt als sicher.

Die spanische Regierung kündigte eine Erklärung an. In dieser heißt es, dass Spanien die Kontrolle über die Region Katalonien übernehmen will. Ministerpräsident Mariano Rajoy wolle dazu am Samstag eine Kabinettssitzung abhalten. "Die spanische Regierung hält an den weiteren Schritten des Artikels 155 der Verfassung fest, um den Rechtsrahmen in der Region wiederherzustellen", heißt es in der Erklärung.

Barcelona hatte am 1. Oktober gegen den Willen Madrids und trotz eines Verbots durch das Verfassungsgericht ein "verbindliches Referendum" über die Unabhängigkeit abgehalten. Rund 90 Prozent stimmten für eine Abspaltung von Spanien. Die Wahlbeteiligung lag allerdings nur bei etwas mehr als 40 Prozent.

Wie genau die Regierung den Artikel auslegen wird, ist nicht formell festgelegt, zumal es das erste Mal in der demokratischen Geschichte Spaniens ist, dass der Artikel 155 zur Anwendung kommt. Mitglieder von Rajoys Regierung und der oppositionellen Sozialistischen Arbeiterpartei Spaniens (PSOE) verhandeln zurzeit, wie genau vorgegangen werden soll. Die PSOE hat bereits mehrfach erklärt, sie werde Rajoys Regierung unterstützen, falls sie den Artikel 155 anwende.

Eine Möglichkeit wäre, dass Madrid vorgezogene Regionalwahlen in Katalonien ausruft. Nach Informationen der Zeitung "El País" plant Madrid, Puigdemont im Amt zu lassen, aber alle Regierungsgeschäfte der Ministerien selbst zu übernehmen.

Streit um Abspaltung Kataloniens von Spanien

Um spätestens 10 Uhr am Donnerstagvormittag sollte Carles Puigdemont, der Chef der katalonischen Regionalregierung, verkünden, ob Katalonien künftig von Spanien unabhängig sein wird oder nicht.

Puigdemont hatte einerseits die Möglichkeit, die Frist einfach verstreichen zu lassen und so dem spanischen Ministerpräsidenten Mariano Rajoy sein Missachten zu zeigen bzw., wie nun erfolgt, der Forderung nicht nachzukommen.

Anderseits hätte er seine Unabhängigkeitsbestrebungen aufgeben können, was allerdings als eher unwahrscheinlich galt. Dies hätte höchstwahrscheinlich Neuwahlen in Katalonien zur Folge gehabt.

Nun kann - und wird - Rajoy offenbar Artikel 155 der Verfassung anwenden. Jener Artikel wird auch als "nukleare Option" bezeichnet und wurde seit Inkrafttreten der Verfassung 1978 noch nie angewendet. Er besagt, dass die Regionalregierung eines Landes dazu verpflichtet werden kann, die Verfassung und das allgemeine Interesse Spanien einzuhalten. Im Zuge dessen könnte Puigdemont abgesetzt oder die katalanische Regierung aufgelöst werden.

Ursprünglich sollte der katalanische Regierungschef schon am Montag eine Entscheidung treffen, er wich einer definitiven Antwort allerdings aus.

(ek)