Wien
"Sonst kalter Winter" – Wien will Strompreis-Limit
Die Stadt Wien legt jetzt ein konkretes Markteingriffsmodell für den EU-Gipfel offen! Laut Finanzstadtrat Peter Hanke müsse man "jetzt handeln".
"Auch wenn in den letzten Tagen massiv versucht wurde, parteipolitisches Kleingeld aus Fehlentwicklungen des Energiemarktes zu machen, sollten wir angesichts der aktuellen Situation rasch zu einer gemeinsamen Vorgehensweise zurückfinden", appelliert Wiens Finanz- und Wirtschaftsstadtrat Peter Hanke. "Es braucht ganz dringend europäische und österreichische Maßnahmen zur Stärkung der Energie-Unabhängigkeit. Gleichzeitig muss an kraftvollen Modellen gearbeitet werden, die jetzt direkt auf den Rechnungen wirken. Die Zeit drängt. Es braucht jetzt eine Haltung der österreichischen Bundesregierung für den EU-Energiegipfel am 9. September. Es muss nun endlich real etwas passieren, dieser Markt wird sich nicht von selbst regulieren."
Bereits am 10. März hatte Hanke klargestellt: "Eine solche finanzielle Belastung können weder Bürger, noch Industrie, aber auch nicht die Energieversorger selbst stemmen." Denn niemand bleibt unberührt von den kriegswirtschaftlichen Marktverwerfungen, auch nicht die Energiebranche selbst.
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und der tschechische EU-Ratsvorsitz haben die Zeichen der Zeit erkannt und rasche Reformen gegen die herrschende Markt-"un"-logik angekündigt. Bei einem extra einberufenen EU-Sondergipfel wird am 9. September über europaweite gemeinsame Lösungen verhandelt, denn: "Der Energiemarkt hat aufgehört zu funktionieren". Die Gasspeicher sind zwar bereits gut gefüllt, so liegt etwa der Speichergrad von Wien Energie aktuell bei bereits über 90 Prozent, die Unsicherheiten allerdings bleiben eklatant.
Wiener Vorschlag für temporären Markteingriff
Das zuständige Ressort in Wien hat sich in den vergangenen Wochen intensiv mit den Experten-Vorschlägen aus der österreichischen Energiebranche für einen temporären Eingriff in das europäische Marktdesign beschäftigt und daraus konkrete Lösungsvorschläge abgeleitet. "Wir haben keine Zeit mehr zu verlieren. Europa muss jetzt geschlossen handeln, sonst droht nach einem heißen Sommer ein kalter Winter", warnt Wiens Finanzstadtrat Peter Hanke vor dem Nichtstun. "Weiter nur zuzusehen und abzuwarten, wie es woanders weitergeht, ist keine Alternative.“
Der Vorschlag der Stadt orientiert sich am Weg von Portugal und Spanien, deren Markteingriff auf der iberischen Halbinsel zu dem mit Abstand günstigsten Strompreis in der gesamten EU geführt hat. Die Stadt Wien fordert Österreichs Bundesregierung hiermit auf, ins Gespräch zu treten und dieses Erfolgsmodell beim EU-Gipfel in einer Woche zum Nutzen für ganz Europa vehement einzufordern: Strompreisdeckel – nach dem Vorbild von Spanien und Portugal
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Preisdeckel für Strom
Mit dem Preisdeckel auf Strom nach iberischem Vorbild könne es gelingen, die Krankheit des aus dem Gleichgewicht geratenen Energiemarkts zu heilen, anstatt immer nur die Symptome zu bekämpfen. Dort beträgt der aktuelle Großhandelsstrompreis nur 1/3 des österreichischen Marktpreises. Wien schlägt - anstelle des aktuellen "Merit-Order" Systems - eine Adaptierung vor, so dass an den Strombörsen ein maximaler Börsenhandelspreis von 300 Euro je MWh Strom festgesetzt wird und der Handel diesen Wert nicht mehr übersteigen kann.
Technisch gesehen sollte der Angebotsprozess der Strombörse-Handelsauktionen unberührt bleiben und alle europäischen Kraftwerke wie gewohnt anbieten können. In einem zweiten Schritt sollten diese angebotenen Preise von der Börse durch den Handelsalgorithmus automatisch mit dem Höchstpreis – zum Beispiel einem Maximalpreis von 300 Euro pro MWh – überschrieben werden. Kraftwerksanbieter sollten eine Kompensation in Höhe der Differenz zu ihren angebotenen Erzeugungskosten erhalten. Damit wäre die längst fällige Entkopplung von Strom- und Gaspreisen umgesetzt.
Als zusätzlicher Lösungsansatz biete sich ein gebündelter Gaseinkauf auf EU-Ebene mit vergünstigter Weitergabe an europäische Stromproduzenten und Gashändler zu gestützten, gedeckelten Preisen und verpflichtender Weitergabe der dadurch erzielten Kostenvorteile an alle Endverbraucher in Europa Zuhause und in der Wirtschaft an. Damit wird dem russischen Angebotsmonopol und dieser Kriegsmacht ein "Einkaufskartell" und damit starke Marktmacht entgegengestellt.
Dramatische Preissprünge
Bei plötzlichen, dramatischen Preissprüngen müssen Energieversorgungsunternehmen (EVU), die an den Energiebörsen mit Strom und Erdgas handeln, an der Börse gegebenenfalls kurzfristig sehr hohe zusätzliche Sicherheiten – sogenannte Margins – hinterlegen, bei Vertragserfüllung kommen sie in voller Höhe wieder zurück. Auch bei der Schaffung eines Schutzschirms für den Landesenergieversorger ist die Stadt Wien vorausgegangen, denn extern preisgetriebene Spitzen, die die Handlungsfähigkeit gefährden, sind im derzeitigen Marktregime leider immer möglich.
Nach dem Betriebsstopp der Gaspipeline "Nord Stream 1" will nun ganz aktuell auch Schweden mit milliardenschweren Staatshilfen für seine Energiebranche eine Krise abwenden. Die schwedische Regierung kündigte gestern an, sie werde Energieunternehmen Liquiditätsgarantien im Wert von mehreren hundert Milliarden Kronen (Dutzenden Milliarden Euro) zur Verfügung stellen.
Neben temporären Markteingriffen wie oben beschrieben, die das Grundproblem der Preisentwicklung an den Energiegroßhandelsmärkten bekämpfen, braucht es auf allen Ebenen ergänzende, unterstützende Maßnahmen für Bevölkerung und Unternehmen: Es brauche eine rasche Strompreisbremse des Bundes.
Weitere Unterstützung für Wiener
Die Strompreisbremse, die vom Bund als breitflächige und schnelle Entlastung für die Bevölkerung angekündigt und für Ende August versprochen war, muss jetzt kommen. Diese Strompreisbremse braucht es jetzt, und zwar nicht nur für private Haushalte, sondern ganz dringend auch für die Wirtschaft und muss damit für alle kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) in Österreich gelten. Auch für andere bereits beschlossene Fördermaßnahmen für die österreichische Wirtschaft fehlen leider immer noch die Umsetzungs- und Förderrichtlinien. Auch hier braucht es Tempo auf Bundesebene, damit auch die Wiener Betriebe noch heuer bei der zuständigen Bundesförderstelle AWS einreichen können.
Die "Wiener Energiekostenpauschale" sind 200 Euro Soforthilfe von der Stadt Wien an besonders betroffene Wiener*innen, das Geld ist schon am Konto angekommen. Für Alleinerziehende – und damit vor allem für Frauen – gab es schon im Juli eine zusätzliche Auszahlung von 100 Euro. Im 4. Quartal 2022 folgen mit der Energieunterstützung PLUS und dem Energiebonus weitere Unterstützungen für die Bevölkerung bis weit in den Mittelstand hinein.
Raus aus Gas
Die Stadt Wien hat sich zum Ziel gesetzt, die Abhängigkeit von Öl, Gas und Kohle zu überwinden. Für die Energie-Unabhängigkeit und für den Klimaschutz ist dazu intelligentes Energiesparen ein Muss. Auch hier würde sich Wien mehr Tempo vom Bund wünschen. Wien ist als "Klima-Musterstadt" seit geraumer Zeit darauf bedacht, Energie effizient einzusetzen. Der Energieverbrauch pro Kopf ist in Wien der geringste von ganz Österreich, zuletzt lag er mit 19.502 Kilowattstunden gegenüber dem österreichischen Durchschnitt von 35.564 Kilowattstunden bei etwa der Hälfte.
Auf diesem Ergebnis ruht sich Wien aber nicht aus. Im Gegenteil, die weltweit angespannte Energiesituation ist Grund genug bereits gestartete Programme und Initiativen wie "Raus aus Gas und Öl" oder die "Photovoltaik-Offensive" der Stadt Wien, noch rascher und entschiedener voranzutreiben.